PAUL WÜHR
So
leicht entgeht ihm nichts
schon gar nicht
richtig Falsches alles
was ohne Grund
hoch hinaus will es sei
denn es hat
seinen Grund ganz
verloren und
schwebt und muß ihn
nicht finden
nach 1990
aus: Jahrbuch der Lyrik 1997/98. Hrsg. von Christoph Buchwald und Ror Wolf. C.H. Beck Verlag München 1997
Der sprachphilosophisch inspirierte Dichter Paul Wühr (geb. 1927) beruft sich in seiner Obsession für die „Philosophie des Falschen“ auf eine Erkenntnis der Vorsokratiker: „Alles ist falsch.“ Wühr setzt auf die Gegenkraft des Falschen, das die „grauenerregende“ Wahrheit anbohrt: „Sobald das Richtige unausstehlich wird, muss das Falsche das Richtige penetrieren.“ Der lyrische Protagonist Wührs versucht alles aus seinen Verankerungen und seinem festen „Grund“ zu lösen.
Erst wenn die Dinge der Sprache und der Welt in eine Schwebe gebracht werden, beginnt sich das lyrische Subjekt für die in Bewegung versetzten Prozesse zu interessieren. Dabei liebt Wühr die kaleidoskopisch-mehrdeutige Verklammerung der einzelnen Satzbezüglichkeiten in den einzelnen Versen, um auch formal seine Vorliebe für das Offene und Instabile zu demonstrieren.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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