Peter Rühmkorfs Gedicht „Chanson“

PETER RÜHMKORF

Chanson

Wenn, aber dann,
in allem was ich tu,
ich etwas liebe,
halt ich darauf zu.

Eh wir in Bern-
stein oder Kalkstein eingeschlossen sind,
käm ich schon gern,
solang der Saft noch rinnt –

Ich bin auf Tour,
die Zeit wird merklich knapp,
Ich seil mich nur
nach oben eben ab.

I am your knight,
d.h. schon kurz vor auf den Knien.
Den Zahn der Zeit,
den werden wir ihr ziehn.

Kommt nur drauf an,
woran man wirklich glaubt:
Das Ding an sich?
Das Leben überhaupt?

Und dieses wird,
soweit die Dinge stehn,
ein bißchen anders aus
als in der Glotze sehn.

1997/98

aus: Peter Rühmkorf: Wenn – aber dann. Vorletzte Gedichte. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999

 

Konnotation

Der 1929 geborene „Elbromantiker“ Peter Rühmkorf hat sich bereits in seinen frühesten lyrischen Versuchen als leichtfüßiger Reimvirtuose und Meister des parodistischen Gegengesangs exponiert. In seinem lyrischen Spätwerk hat er die Arbeit am „halb-heroischen, halb nonchalanten Unerheblichkeitston“ weiter verfeinert. Aus einer tragikomischen Melange von Fatalismus und desperater Heiterkeit gewinnt Rühmkorf auch in seinen Vorletzten Gedichten von 1999 schöne Chansons.
Für die letzte Lebensperiode, die von Vergänglichkeits-Ahnungen verdunkelt wird, hat Rühmkorf hier sein eigenes poetisches Levitations-Programm erfunden. Die Zeit ist zur knappen Ressource geworden. Aber der Dichter setzt u.a. auf erotische Selbstheilungskräfte. Um dann in den beiden Schlussstrophen in mildem Sarkasmus alle klischeehaft-naiven Antworten auf die Frage nach den letzten Dingen abzuwehren.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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