Rainer Brambachs Gedicht „Salz“

RAINER BRAMBACH

Salz

Wir brauchen einander. Wir sind
das Salz der Erde,
Salz, kostbarer als Gold, notwendiger,
einsilbig, weiß im Streufaß gefaßt,
verloren im Atlantik,
im Brot, in der Träne, im Schweiß
vor der Geburt oder sonstwie, sonstwo
brauchen wir uns, Salz der Erde, Salz.

nach 1950

aus: Rainer Brambach: Gesammelte Gedichte. Diogenes Verlag, Zürich 2003

 

Konnotation

Der ungelernte Landarbeiter, Torfstecher, Steinmetz und langjährige Gärtner Rainer Brambach (1917–1983) hatte sich 1939 den deutschen Wehrmachts-Behörden durch Flucht in die Schweiz entzogen. Nach 1945 fand er als lyrischer Autodidakt in Basel sehr zielsicher seinen Weg in die Welt der Literatur. Bereits in seinen frühesten Gedichten, die 1954 in den Akzenten erschienen, stellt sich Brambach als schwer schuftender „Erdarbeiter“ vor, bewaffnet mit „grobem Hemd“, „Manchesterhose“ und „Garibaldihut“.
Brambachs Verbundenheit mit den Naturstoffen erhellt aus einem Elementargedicht wie „Salz“, das auf knappstem Raum eine kleine Naturgeschichte des Minerals erzählt, das den Wasserhaushalt im menschlichen Körper regelt. Dem Salz als einem Grundstoff des menschlichen Lebens widmet Brambach, der erdverbundene Dichter, einen kleinen emphatischen Hymnus. Die poetische Verneigung vor dem Salz ist vermutlich in den 1950er Jahren geschrieben worden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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