ROR WOLF
Klöße und Gesang
Das war ein Tag von ziemlich vielen Tagen,
er war nicht schlecht, jawohl, das kann man sagen.
Wir überschlagen jetzt die nächsten Jahre,
es wächst das Gras, es wachsen uns die Haare.
Wir stehen auf, wir steigen in die Kleider.
Auf Wiedersehn – und morgen sehn wir weiter.
2005
aus: Ror Wolf: Im Zustand vergrößerter Ruhe. Die Gedichte. Hrsg. von Friedmar Apel. Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung, Frankfurt a.M. 1996, 2007, 2009
Als scharfsinniger Wort-Artist und schwarzhumoriger Klischee-Saboteur hat Ror Wolf (geb. 1932) immer darauf geachtet, alle Erwartungen an Sinn, Handlungslogik oder Realismus in seinen Texten kunstvoll zu enttäuschen. Von der zweckrationalen Instrumentalisierung der Wörter hat er sich systematisch entfernt, um seine scheiternden Helden in immer neue und meist äußerst komische Abenteuer schicken zu können.
Die lyrischen Helden seiner „Hans Waldmann“-Gedichte, die im Spätwerk mit „Pfeifer“ einen neuen Protagonisten bekommen, verstricken sich in unzählige komische Malaisen und Unglücksfälle, die mal mit bösem Sarkasmus, mal mit bezwingender Heiterkeit kommentiert werden. In vielen Gedichten kokettiert Wolf auch mit einer Logik des Bodenlosen oder haltlos-absurden Pointen. In liedhaften Reimformen verknüpft er Trivialitäten, die dann jede Ernsthaftigkeit mit federleichter Lapidarität aushebeln.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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