Thomas Gsellas Gedicht „Papa-a? Ja, mein Kind?“

THOMAS GSELLA

Papa-a? Ja, mein Kind?

Wenn wir im August in Mali,
im September dann auf Bali
und im Tschad Siesta machten,

im Oktober Prag besuchten,
Sydney und Manhattan buchten,
im November Rom bedachten,

um in einer zweiten Runde…–
fröhlich geht die Welt zugrunde?

Dito.

2003

aus: Thomas Gsella: Papa-a? Ja mein Kind? Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. 2008

 

Konnotation

Die Globalisierung hat einen besonderen Typus des permanenten Reisenden hervorgebracht, der die Welt nur noch als planetarische Wellness-Zone zu begreifen vermag. Zu den Lieblingsbeschäftigungen dieses universalisierten Touristen gehört die Touristen-Verachtung, obwohl sein eigenes Länder-Hopping einem zutiefst konsumistischen Bewusstsein entspringt. Der Satiriker und Dichter Thomas Gsella (geb. 1958) hat sich in die Innenperspektive dieser Experten des Wohlbehagens versetzt und ihnen eine humoristische Petitesse gewidmet.
Als überzeugter Protagonist der „Generation Reim“ vermag Gsella seine Boshaftigkeiten in treffsicheren Pointen zu plazieren – und gleichsam en passant den Biedersinn oder, wie im Fall seines Touristen-Porträts, die Gedankenlosigkeit seiner lyrischen Helden freizulegen. Dass er am Ende noch ein gesellschaftskritisches Stichwort einschmuggelt – das ist eher untypisch für einen Autor, der es vorzieht, dass sich seine Figuren selbst um Kopf und Kragen reden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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