Philip Bracht, Haimo Hieronymus & A.J. Weigoni: Prægnarien

 

Formerfinder treffen auf Allegorienschöpfer

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Philip Bracht, Haimo Hieronymus & A.J. Weigoni: Prægnarien

Bracht, Hieronymus & Weigoni: Prægnarien

Als gegenseitig befruchtender Dialog zwischen bildender Kunst,  improvisierter Musik und sprachlicher VerDichtung muß man das spartenübergreifende Projekt Prægnarien verstehen. Hieß es einst „Wer nicht hören will, muß fühlen.“, könnte man nun behaupten „Wer nicht fühlend sehen will, muß lesen. Und hören.“
Haimo Hieronymus mag das Individuelle des Strichs, empfindet im Glattgebügelten reiner Ideenkunst beliebige Langeweile und gähnende Austauschbarkeit. A.J. Weigoni verachtet die Bewertungskultur der Medien. Der Posaunist Philip Bracht spielt Noten abseits der vorgeschriebenen Linien. Diese Artisten wollen als Künstler nicht bewundert, sondern in treusorgender Ironie betrachtet werden, ein Augenzwinkern ist nicht ausgeschlossen.
A.J. Weigoni veranstaltet in diesen „Prægnarien“ ein furioses Stimmenkonzert aus Reimen und Kalauern, den Tücken der deutschen Grammatik und ihren Wortzusammensetzungen. Es gibt in diese Gedichten Buchstaben als etwas Hörbares.
In der künstlerischen Auseinandersetzung treffen sich Bracht, Hieronymus und Weigoni regelmäßig an der Grenzlinie, dort, wo Schrift in Zeichnung, und auch in Klang übergeht. Es geht bei dieser Performance um die Sehnsucht nach Körperlichkeit, sinnlicher Unmittelbarkeit. Kein anderer Klang lebt so sehr vom Atem. Keine andere Musik verlangt ähnlichen körperlichen Einsatz. Bläser und Angeblasene verschmelzen zu einer Einheit, werden Teil eines großen atmenden Klangkörpers. Keine Maschinen, sondern allein die Lungenzüge geben den Rhythmus vor.

Edition Das Labor, Klappentext, 2013

 

Prægnarien – Wort- und Medienkompositionen

Auf diesem Hörbuch der Edition Das Labor sind grenzüberschreitende ‚artIQlationen‘ zwischen unterschiedlichen Artisten auf analoger Basis zu hören. Als gegenseitig befruchtender Dialog zwischen bildender Kunst, improvisierter Musik und sprachlicher VerDichtung sollte man das spartenübergreifende Projekt Prægnarien verstehen. Hieß es einst „Wer nicht hören will, muß fühlen.“, könnte man nun behaupten „Wer leben will, muss wahrnehmen.“ Auf allen Ebenen.
Idiosynkrasie, schrieb Jürgen Habermas in seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“, ist privatistisch und irrational. Letzterem zumindest scheinen Philipp Bracht, A.J. Weigoni und Haimo Hieronymus zuzustimmen, wenn sie über ihr Projekt Prægnarien sagen, es habe nichts mit Logik zu tun. Haimo Hieronymus mag das Individuelle des Strichs, empfindet im Glattgebügelten reiner Ideenkunst beliebige Langeweile und gähnende Austauschbarkeit. Weigoni verachtet die Bewertungskultur der Medien. Der Posaunist Philipp Bracht spielt Noten abseits der vorgeschriebenen Linien. Weder in der Malerei noch in Poesie und Musik ist Lebendigkeit eine Voraussetzung für unser Staunen, daher wollen diese Artisten als Künstler nicht bewundert, sondern in treusorgender Ironie betrachtet werden, ein Augenzwinkern ist nicht ausgeschlossen.
Der Leser ist im Grunde immer ein Zuhörer. Er kann nicht ausweichen. Der Ton des Textes trifft ihn, eifersüchtig, obsessiv, unbarmherzig. In der künstlerischen Auseinandersetzung treffen sich Bracht, Hieronymus und Weigoni regelmäßig an der Grenzlinie, dort, wo Schrift in Zeichnung, und auch in Klang übergeht. Es geht bei dieser Performance um die Sehnsucht nach Körperlichkeit, sinnlicher Unmittelbarkeit. Kein anderer Klang lebt so sehr vom Atem. Keine andere Musik verlangt ähnlichen körperlichen Einsatz. Bläser und Angeblasene verschmelzen zu einer Einheit, werden Teil eines großen atmenden Klangkörpers. Keine Maschinen, sondern allein die Lungenzüge geben den Rhythmus vor.
Ergänzt wird die Live-Aufnahme aus dem Theater im Bogen (Arnsberg) durch Hörspielereien von Frank Michaelis und A.J. Weigoni. Es ist ein Wagnis vor dem Mikrofon zu bestehen, eine Gefahr zu meistern. Die Kunst gewinnt aus der Bedrohung etwas Neues, einen Überlebenston, dem man in Zuneigung verfallen kann, weil er sich weder für die Tragödie noch für die Komödie entscheidet. Den aggressiven Bezichtigungston sollte man auf keinen Fall mit der zärtlichen Verzweiflungklarsicht verwechseln. Weigoni und Michaelis veranstalten ein furioses Stimmenkonzert aus Reimen und Kalauern, den Tücken der deutschen Grammatik und ihren Wortzusammensetzungen. Es gibt in diesen Gedichten Buchstaben als etwas Hörbares. Weigoni ist ein exzeptioneller Lyriker und Performance–Künstler, im Sprechen liefert er seinen Existenzbeweis, dass Sprechen und Schreiben, jener hochmusikalische Rhythmus der Wiederholung zum einzig möglichen Aufschub gegen den Tod wird. Beinahe verschwörerisch rezitiert Weigoni seine Wortfelder und Frank Michaelis bläst ein Saxophon, dessen bewußt blecherne Schwüle leicht eine ganze New Yorker U–Bahn–Station unterhalten könnte. Keinen Millimeter Abstand hat Michaelis zum Text halten müssen. Nichts hat er verschludert. Selbst die Atemlosigkeit nicht. Michaelis Hommage an Thelonious Monks „Well you need’nt“ ist ein Resümee, das in der eleganten und weitläufigen Stimmführung Weigonis paradoxerweise nicht wie Resignation, sondern als ideales psychisches Gleichgewicht daherkommt. Weigoni liefert den Beweis, wie klug das Textverstehen einer poetischen Performance sein kann. Wir Zuhörer sind geradezu angewiesen auf jemanden, der gekonnt rezitiert. In Düsseldorf arbeiteten Weigoni und Michaelis im Kunstakademie-Umfeld als Hörbuchpioniere, sie produzierten sogenannte LiteraturClips zu einer Zeit, als Marketingspezialisten den Claim Hörbuch noch nicht einmal erfunden hatten. Weigoni und Michaelis kommt damit das Verdienst zu, die Lyrik nach 400 Jahren babylonischer Gefangenschaft aus dem Buch befreit zu haben.

Matthias Hagedorn, Süddeutsche Zeitung, 7.4.2013

Zu erwerben ist die CD bei der Edition Das Labor.

rettungsversuche der literatur im digitalen raum aufgespürt von Holger Benkel u.a. am Beispiel der Texte von A.J. Weigoni.

Margaretha Schnarhelt: Die Essenz eines kreativen Schaffens
fixpoetry.com, 16.1.2017

 

 

Das Nahbell-Interview 2017 mit A.J. Weigoni

Fakten und Vermutungen zum Autor + Kalliope + Facebook
Nachrufe auf A.J. Weigoni: KUNO 1 + 2

 

A.J. Weigoni & Frank Michaelis – Literaturclip aus der Schwebebahn.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00