Immer wieder einmal haben Zeitschriften und Zeitungen der „Lyrikdiskussion“ ein Forum verschafft, indem sie Kritikern, Literaturwissenschaftlern oder Poeten die Gelegenheit gaben, ein ihnen bedeutsames Gedicht vorzustellen: jenseits allzu begriffloser Geschmacksbekundung, diesseits allzu philologischer Exegese.
Nachgerade zu einer Institution geworden ist die 1974 von Marcel Reich-Ranicki angeregte Frankfurter Anthologie. Sie setzt das Prinzip fort, was 15 Jahre vorher bereits einmal die ZEIT etabliert hatte: Dichter/Literaten stellten aus dem „großen lyrischen deutschen Haushalt“ (Dieter E. Zimmer) vom Mittelalter bis zur klassischen Moderne „Mein Gedicht“ vor. Um 1980 herum hat die ZEIT an diese Tradition noch einmal angeknüpft, jetzt freilich mit dem anderen Akzent, den der Titel der Serie andeutet: Gedicht der ZEIT. Die sympathetischen Porträts, behutsamen Rettungen, nachdrücklichen Empfehlungen Günter Kunerts (1982 bis 1983) und Jürgen Beckers (1983 bis 1984) haben der zeitgenössischen Lyrik gegolten; sie haben eingeführte Namen nicht außer acht gelassen, aber doch oft eher unbekannte, erst mit der einen oder anderen Publikation hervorgetretene Lyriker vorgestellt.
Tagein, tagaus schwemmt die Post Briefe in die literarischen Redaktionen, die schwer sind von Lyrik; Sekundaner, die gestern das Buch der Lieder gelesen und in der Nacht die ersten eklektischen Zeilen zustande gebracht haben (mit synkopenreicher Tanzstunden- und Jazzkellerpoesie ließen sich Bände füllen), pensionierte Staatsdiener, in deren Schreibtischtiefen sich ein verschwiegenes Lebenswerk angesammelt hat, Amateurdichter jedes Standes und Alters, sie alle bestürmen, verschämt oder unverschämt, die zuständigen Redakteure: bitte, drucke mich. Disqualifizierten sich die meisten dieser Gedichte, auch wenn sie sich noch so ,avantgardistisch‘ gebärden, nicht schon in der ersten Zeile („Himmel. Häuser. Straßen. Grau“ – „Hast du nicht ein schwarz gestrichenes Schwein gesehn?“ – „Der Tunnel kam, ich wollt dich küssen“), beanspruchten sie alle gleichermaßen die ernsthafteste Aufmerksamkeit, wie ihre Schöpfer die delikateste literarische Seelsorge verlangen (dem Rückumschlag etwa eine hektographierte Kopie der Bennschen „Probleme der Lyrik“ beizulegen, geht keinesfalls an), so wäre ihnen kein Redakteur lange gewachsen.
Fast zur gleichen Zeit, als Dieter E. Zimmer diese sicher nicht obsolet gewordene Lagebeschreibung gab (in dem Nachwort zu: Mein Gedicht. Begegnungen mit deutscher Lyrik, hg. v. Dieter E. Zimmer, Limes Verlag, Wiesbaden 1961), haben die in Essen erscheinenden Ruhr-Nachrichten zusammen mit dem damals 50-jährigen Ernst Meister eine ganz andere Konzeption entwickelt. In einer Reihe „Übungen mit Versen“ sollten eben die von Zimmer so geschmähten unverlangt eingesandten Versuche junger Lyriker exemplarisch mit kollegialen „Fußnoten“ versehen werden. Über 22 Folgen hinweg hat Ernst Meister, der seinerzeit auf der Schwelle zu größerer Anerkennung stand, wie es sein Wechsel zum Luchterhand-Verlag signalisierte, kritische Miniaturen geschrieben: nicht ohne Liebe, aber durchaus nicht apologetisch.
Für den teilweisen Wiederabdruck dieser „Übungen mit Versen“ spricht neben dem pragmatischen Grund, abgelegene Texte Ernst Meisters aus gegebenem Anlaß überhaupt zugänglich zu machen, auch einiges Grundsätzliche.
Daß mehr Gedichte geschrieben als gelesen werden, dürfte sich seit Dieter E. Zimmers Klage eher zuungunsten des Lesens geändert haben. Die Lyrik-Diskussion aber findet einerseits nur in der „Bundesliga“ statt, wird zum anderen neutralisiert durch ein unbelehrbares „anything goe’s“, und an kooperative Lektoren kommen die jungen Lyriker ohnehin kaum noch heran, eher verlegen sie ihr opusculum selbst. Die Epigonen der 60er Jahre haben sich noch auf die internationalen und nationalen Großmeister, die heute längst verblichen und vergilbt sind, stützen können, die der 80er Jahre beziehen sich auf die leicht-fertige Alltagslyrik der 70er Jahre: nichts für ungut, aber bei Benn und Eich hat sich mehr lernen lassen als bei Hugo Dittberner und Bettina Wegner…
Ernst Meisters „Übungen mit Versen“ rufen beiläufig in Erinnerung, daß Belesenheit und Selbstkritik lyrischer Kreativität nicht abträglich sind, und sie lassen, in den Epigonen, die Stärken und Schwächen der Vorbilder oft deutlicher erkennen, als dies bei ihnen selbst möglich ist. Bei all ihrer Mittelbarkeit zählen sie zu den seltenen poetologischen Selbstaussagen Ernst Meisters, aber sie sind auch frühe Dokumente einer Vaterfigur, wie sie Meister für viele der um 1940 geborenen Schriftsteller werden sollte. Nach wie vor können diese Miniaturen ein Modell sein für kollegialen Umgang mit dem Nachwuchs, und schließlich ermöglichen sie den Zugang zu ein paar unverächtlichen Gedichten, so zu frühesten Versuchen von Nicolas (Klaus) Born und Hannelies Taschau.
Hermann Wallmann
BARBARA KRÜGER
Gleichnis
für einen Freund
Der Boden
der Filiale
ist der Acker
der Putzfrau
die Minute heißt
Und auf dem
Acker erblühte
eine Blume:
und siehe:
zu ihr kam
der
der die Liebe
erfand.
Was die Liebespoesie angeht, so weiß die junge Verfasserin bereits das „An-Dich“-Gedicht zu vermeiden, oder es kommt ihr gar nicht in den Sinn. Sie besorgt, auch im Titel, die Objektivation. Sie bedichtet nicht, sie beschreibt nicht, sie läßt ein Gleichnis ganz für sich sprechen und bedient sich dabei einer der Doppeldeutigkeiten des Begriffes „Boden“. Das Gedicht besteht auf einfachste Weise aus drei durch „und“ verbundenen Sätzen. Trotzdem ist es, in geglückter Weise dynamisch gestuft. Der erste Satz ist in einer kühnen und nicht humorfreien Charakterisierung förmlich ein Wurf. Im zweiten wird das alte Sinnbild von der erblühenden Blume folgerichtig in Anspruch genommen. Ein „siehe“ steigert das zweite „und“. Einen Augenblick glaubte ich, interpretieren zu müssen: zu einem Aufgehenden, der Neigung, geselle sich gewissermaßen der andere Liebesgott der Ausführung. Die Sache ist aber wohl schlichter aufzufassen: Gemäß der Tatsache, daß die Berufsübung mit dem größten Teil des Lebens identisch ist, erblüht eine Mädchenjugend auf dem Acker (siehe arbeiten = ackern) einer Filiale (letztere als Alltagssymbol stärker als ein Hauptgeschäftshaus), und hier, wahrscheinlich am unromantischen Ort selbst, kommt zu ihr der, „der die Liebe erfand“. Daß dieser „der“ als Erfinder begriffen wird, kennzeichnet den zivilisatorisch-technischen Erlebnisraum. Die Putzfrau in ihrer minutensauren Ausübung der Bodenpflege ist bis zum Schluß des Gedichtes mitgedacht. Diese wache, zusammenschauende Wirklichkeitserkenntnis gereicht der Verfasserin zur Ehre. – Interpretiert sie ihr Gedicht anders? Verteidigt sie übrigens die Art, wie sie die Satzzeichen gesetzt hat und anderes Technische mehr?
PETER DILG
Porträt
Sinnentleerung, Wortentwertung
Neo-Nomenklatur
new jazz in cool und Stilverfremdung
ein toter Mond, Schritt ohne Spur.
Und du, der Zeugung Krone,
der Zeiten müdes Relikt,
gleichst du noch der Schablone,
in die man dich gedrückt?
Statistik der Neurosen
Kinseys Sexualreport
Hier Bars und dort Kolchosen –
„Im Anfang war das Wort“.
Am Ende ist die Leere
der Abstraktion verwandt
sinken tertiäre Meere:
o Mensch, du bist erkannt!
Lassen wir uns das „Porträt“ von Peter Dilg trotz der primären, sekundären und vor allem „tertiären“ Benn-Anklänge (das Gedicht steht hier stellvertretend für zahlreiches Vorkommen) etwas angehn! – „Toter Mond“ ist gut gesagt (besser als „Bars und Kolchosen“) in Anbetracht von Pessimismus, öden Schlagern und Raketen. Doch es bleibt nicht bei dem Lichtblick im Detail. Das Gedicht blickt insofern, als es aus Verfremdung und Leere heraus sieht und spricht, also auch seinerseits nicht ganz und gar „müdes Relikt“ ist. Immerhin möchte P.D. „am Ende“ glauben, die Leere sei „der Abstraktion verwandt“, möchte es zugunsten der „tertiären Meere“. Selbstredend ist diejenige Abstraktion leer, die, um es kurz zu sagen, nicht gründet, himmlisch, irdisch und meerisch. Von gründender, sinntragender Sprache – Sprache ist allemal abstrakt – sind wir aber mitnichten verlassen, wenn wir sie nicht verlassen. Warum fällt denn P.D. der „Spruch“ ein: „Im Anfang war das Wort“? Mit Hinblick auf die weit und breit eingerissene übererbte und „Neo“-ver-fremdung eines Eigentlichen bedeutet eine Resignation, die, wenn auch müde-ironisch, jenes Wort vom Wort zitiert, eine Befremdung der Verfremdung gegenüber. Und wenn sogar an der Schablone gerückt wird deshalb, weil sie als solche erkannt ist, geht dies am Ende zusammen mit dem Wunsche, die Zeichen wieder zurückzuverlegen (siehe Re-signation), d.i. mit dem Verlangen nach dem wirklichen Anfang im wirklichen Wort. Der Ursprung steht aber in Wahrheit nicht als gewesener zurück, er steht vielmehr an zu seiner Ankunft, er gegenwartet. „O Mensch, du bist erkannt!“ dünkt mich am Ende ein voreiliger Spruch. Die Extra-Ausgabe dieses Inhalts ist noch nicht fällig. Auch Benns Urteilen zeichnet sich durch Vermeiden des Definitiven aus. Und allerdings: erstaunlicherweise ist der Anfang dem „Ende“ vorbehalten, und dieser Anfang im Ende betrifft die Erkenntnis des Menschen von Grund auf sowie das Erlangen seines Wesens.
PETER GABRIEL
Ende eines Tages
Haßreime
Warfen sich
Die spielenden Kinder
Auf der Straße zu.
Haßreime,
Mordlustiger
Als das Geschrei
Der Eroberer
Von Troja.
Teilnahmslos
Hockten
Graue Federleiber
Auf erschlafften
Drähten.
Im Schmutz
Des Aschenhofes
Zweier Häuser
Starb
Das Licht.
Die Kinder
Wurden grausam,
Blutig
Umgebracht.
Vom Draht
Hob sich der erste
Federleib
Und strich
Herab.
Fußnoten verhielten sich zu einem (gelungenen) Gedicht wie Anatomie zum Braten, hat Friedrich Schlegel einmal bemerkt. Dies meint: das Seziermesser zieht sich zurück vor dem schmackhaften „Endprodukt“, die Analytik ins Schweigen. Peter Gabriels Gedicht heißt „Ende eines Tages“. Das Ende schweigt noch nicht; auf der Straße werfen sich die spielenden Kinder Haßreime zu, beispielhaftes Trojanisches Geschrei noch übertreffend. Eine eingefleischt trübe Sache, der graue Federleiber auf ohnehin erschlafften Drähten keine Aufmerksamkeit schenken. („Graue Federleiber“ scheint doch von vornherein mehr zu besagen als zoologisch Spatzen.) Die zweite Strophe (in der Tat Katastrophe) besteht aus vierzehn Zeilen genauso wie die erste (Exposition, um nicht zu sagen: Disposition). Bedrückendes Gleichgewicht mit vielfach einwortiger Silbenschwere der Zeilen. Die Szene ist jetzt nicht mehr die Offenheit der Straße, sondern die Abgeschlossenheit des schmutzigen Aschenhofes zweier Häuser (siehe Entzweiung, Zwist). Der Hof ist mit dem Tod des Lichtes zum Schlachthof geworden, da der unschuldige Mordreim umgeschlagen ist in die blutige Ausführung von seiten zweifellos mündig Schuldiger. Müßig, von Kriegsgeschehen zu sprechen. Man sollte den Vorgang aber nicht naturalistisch verstehen, d.h. im Sinne einer örtlich fixierten Geschehensfolge. Dies bestätigen auch die Federleiber. Sie mögen noch so teilnahmslos erscheinen, so reagieren sie nichtsdestoweniger innerlogisch (siehe Schluß). Sie gehören eben doch zu dem „Stück“, und zwar zentral, wie das Verhängnis selbst. Mit „Ende eines Tages“ ist mehr gemeint als eines Tages Ende. Schlegels Ästhetik ist hier nicht anwesend. Der Braten ist diesmal die Wahrheit. Sie hat zwar Deutung nicht nötig, hat aber wohl auch nichts dagegen.
BARBARA KRÜGER
Drama im Herbst
das Blatt ist rot
rot ist der Tod
rot ist auch der Nihilismus
aber trotzdem
schmerzt mich
die Beule
wo mich gestern
Fallobst traf
Es ist schon manches Herbstgedicht im Frühling entstanden und umgekehrt; die Distanz begünstigt die Qualität. Mag es aber nun sein, daß Barbara Krüger schon Mitte August (welches Datum das Manuskript ausweist) ein rotes Blatt antraf und ihr solches Faktum bereits herbstlich vorkam, so übergibt sie doch das Unmittelbare einem Gedanken von epigrammatischer Gestalt. Welches „Drama“ meint er, in dem das Rot wie Farben in Kinderversen eine Rolle spielt? Unter den drei genannten Dingen, die rot sind, erscheint verdutzend ein fremdwörtliches: Nihilismus. Der sei also auch rot. Hier ist guter Rat für die Auslegung teuer. Wir entschließen uns kurzerhand, die drei Röten, auch die vom Tod, im Horizont einer einzigen zu verstehen, die in einer Art ekstatischer, also positiver Negativität aufgeht (siehe Nietzsche: „Nihilismus ist ein Glücksgefühl“, übrigens von Benn zitiert). Wir sind auch deshalb dazu genötigt, weil wir sonst mit dem Gegen-Satz nicht zurechtkommen: „aber trotzdem schmerzt mich…“ Das Fallobst: es ist allerdings, wenn man so sagen soll, das Konkreteste vom konkreten Baum, zu dem wir seinen leichtesten Teil, das Blatt, ergänzen dürfen. Das Drama: es besteht in dem Schlag und Stoß, der beharrungsmächtigen Körperlichkeit der gleichen Dinge, die unsere Einbildungskraft auf nahezu unstoffliche Weise wiederholt oder, im schöpferischen Falle, steigert. Im beistehenden Gedicht wird diese Verschiedenheit ursprünglich erlebt, und zwar in Form der Ernüchterung: sie wird als List und Witz des Wirklichen erfahren. Ein eigenwilliges – Herbstgedicht, akut im Oktober (auch ein Grund, daß es hier steht), idyllische Gepflogenheiten ausradierend.
RAINER KÖHNE
Schließe dein Fenster!
Schließe dein Fenster!
Nagel die Läden zu!
Brenn den Lack ab!
Versteck dein Gebetbuch!
Versperr deine Kontoauszüge!
Vergrab dein Briefmarkenalbum!
Putz dein Periskop!
Preß dein Ohr an den Boden!
Der zweite Mann in der Übungsecke bekennt, daß er sich angesichts mancher Einsendung fragt, ob die karge, oft ans Notdürftige grenzende Sprachgeste und Einfallsführung gewollt wurde oder mehr nicht in des Verfassers derzeitigen Kräften lag. Er wird jedesmal wenigstens der Richtung des Gesagten nachzugehen versuchen. Im vorliegenden Falle gibt unter mutmaßlichem Einfluß der Imperative Ingeborg Bachmanns (siehe „Die gestundete Zeit“), wenn nicht auch Günter Eichs („Träume“) offenbar bestürztes Wachwerden eine Art Feuerwehrkommandos ein, sicher in erster Linie Appelle des jungen Zeitgenossen an sich selbst, so kurzab wie möglich: „Nagel .. Versteck .. Putz .. “ (so daß unfreiwillig Gegenstandswörter herauskommen) und „Brenn, versperr, vergrab, preß!“ – Man verstehe das Gedicht, wofern es noch als ein solches genommen werden kann, nicht als eine nach Zeit und Raum schlüssige Aktionsanweisung, dergestalt, daß das Vernageln der Fensterläden der vollendete Beginn und das Pressen des Ohrs an den Boden das Ende der Steigerung im Sinne von oben nach unten wäre; denn dann würde im verdunkelten Raum teils Unmögliches geleistet worden sein. (Irregeleitet wird man jedenfalls.) Man erkenne dennoch den inneren Zusammenhang der Einrufe.
SASCHA SCHACHTA
Landregen
Die Räderspur im Sandweg füllt der Regen eintönig und ermüdend,
In meinem Herzen sammelt sich in Mulden
ausgewaschen von Lügen
das Brackwasser der Sehnsucht.
Steigt, steigt bis auch der Ararat der Stirne landunter liegt.
Die trüben Fluten gleiten
vom Wellenschlag der Hoffnung kaum bewegt
ins Uferlose.
Nur zäher Schlamm aus Hoffnungslosigkeit
bleibt, wenn die Wasser fallen
und breitet seine blasig-schwarze Decke
über tiefe Risse.
Die Blasen platzen
aus letzten Tiefen steigen giftige Gase.
Die Hand, Du, Deine Hand,
ich sinke.
Das Gedicht geht von einem Vergleich in Parallelform aus: Räderspur im Sandweg, die der Regen füllt – Mulden in meinem Herzen, in denen sich das Brackwasser der Sehnsucht sammelt. Die Mulden wären nicht da, hätten Lügen sie nicht ausgewaschen. Mir kommt das nicht wenig vertrackt vor. Ist es nämlich nicht so, daß Mulden ausgewaschen werden, sondern ein Grund, dann ist zu folgern, daß Lügen den Grund des Herzens auswuschen. Kaum nachzuvollziehendes Bild. Wahrscheinlich hat Sascha Schachta die Lügen und das Brackwasser der Sehnsucht gleichgesetzt, also Lügen (sich selbst belügen und belogen werden?) und Sehnsucht. Im Text, der übrigens im ganzen prosamäßig anmutet, kommt das aber nicht triftig heraus. Nunmehr führt das unerfüllende Ansammeln zur Sintflut solcher Art, daß auch die Stirn, dem Ararat gleich, landunter zu liegen kommt. Ziemlich „gewagt“. Bei dem Folgenden verstärkt sich der Eindruck, daß im Bildlichen zuviel des Guten getan wurde, so auch in puncto der entsprechenden Genitive. Am Schluß „Die Hand, Du, Deine Hand, Ich sinke“ ist schön. Kein Beweis überzeugenden Ausdrucks wiederholt sich in der Dichtung so… wie der, daß die Sehnsucht, die Hoffnung, die Enttäuschung, diese drei, vom schlichten Tone leben, auch wenn sie „groß“ waren.
KLAUS BORN
Haltend die Standarte
Haltend die Standarte
des höchst überflüssigen Clubs
des höchst überflüssigen Kopfs,
meines Kopfes.
Den bunten Waldwind
im Nachen entführend
auf die stillen Seen
Deiner Augen
steht mein immer fliehender Kopf
am Rande
eines Siebenschläfertraums
greifen meine Finger
nach Sternleitern
und wenn ich falle
deckt mich eine große Wolke
aus Sterntönen zu.
Ja, du liebe und jetzige Zeit, was ist eigentlich ein Gedicht? Je mehr die Leute eines dafür halten, um so weniger ist es meistens eins. Die Jahreszeiten z.B.: des Frühlings Knospendrängen, des Sommers Fruchterwachsen, des Herbstes Rost, des Winters Frost auf Bedeutungston gefingert, und man blickt erbaut in der Lebensfrist poetische Gardine! Jedoch wie atmet einer auf, wenn er es mit einem wirklichen Gedicht zu tun bekommt, und das bedeutet: mit Originalton, so im Falle nebenstehenden Textes. Er besteht, sich in prägnante Strophen teilend, in Wahrheit aus einem einzigen, logisch eigenwilligen Satz, die Intelligenz des Verfassers besteht zumal darin, daß sie dem („Ideen“-)Club-Kopf (was ausgezeichnet gesehen und gesagt ist) einen im Rhythmischen glänzenden Verweis erteilt. Ja, dieser Kopf ist eigentlich überflüssig, wenn es um einen Inhalt, wie den wunderschönen von Strophe 2 geht, und dermaßen ist er „immer“ ein „fliehender“, an die Ränder des Unmittelbaren und des wachen oder gar siebenschläfrigen Traumes versetzter. Seine Standarte wird losgelassen, wenn die Finger sich freimachen für das Ergreifen der „Sternleitern“. – Romantik, Klaus Born, im Zwiste mit welchen Ideen des „überflüssigen Kopfs“.
WERNER FREI
letzte zeichen
wenn es noch eine glocke gäbe
würde ich einen baum suchen
um sie daran zu hängen
zum zeichen
daß es noch glocken und bäume gibt
wenn es noch ein pferd gäbe
würde ich gras säen
um es darauf weiden zu lassen
zum zeichen
daß es noch pferde und wiesen gibt
wenn es noch einen vers gäbe
würde ich augen sammeln
die ihn lesen
zum zeichen
daß es noch verse und menschen gibt
Das elegisch-schöne Gedicht Werner Freis spricht von „letzten zeichen“. Man darf sagen: im schwierigen Augenblick „letzter zeiten“, deren Letztes stets Täuschung war; denn entweder „war die letzte Hölle die allerletzte nie“ (Brecht), oder es verhielt sich so, daß das Erste uns mit dem Letzten hinter das eigene Licht führte. – Wenn… dann würde ich, um… stellt sich, mit einer kleinen Abweichung im Wörtlichen, als der nicht wenig komplizierte logische Rhythmus der Strophen dar. Von der einander zugeordneten Erscheinung stehen, gleichfalls in der Bestimmung von Eventualität, „verse und menschen“ akzentuiert am Schluß. Jedoch, da es diese, sicher auch Werner Freis Meinung nach „noch gibt“, dürfte bei diesem Gedicht eine gewisse Rhetorik im Spiele sein, freilich aus der Leidenschaft zum Dartun der Zeichen. Verse, so gegenwarts- wie zukunftsträchtig: hier stehe beispielsweise von Guiseppe Ungaretti (jetzt in der Übersetzung von Ingeborg Bachmann bei Suhrkamp): „Ich erleuchte mich durch Unermeßliches.“ Die Glocken, Bäume, Pferde, Wiesen… Modelle, nicht wahr, für die Sorge um die Existenz und Originalsinnigkeit von Wesen und Dingen? Und wäre mein mich Erleuchten auf den Verbleib von Ursprunghaftem außerdem meiner selbst angewiesen? Ungaretti stellt fest: Vom Menschen, „von seinen fiebrigen Händen kommt ohne Ende nichts als Begrenztes“. (Dermaßen auch die jetzigen und zukünftigen technischen Erfindungen?) Ich schätze, daß die Frage „Realitätsbezogenheit oder Utopie“ den jungen, denkenden Dichtenden schwer zu schaffen macht.
RAIMUND FEIST
Die Farbe des Regens
Wie eine Empfindung klirren gläserne Tropfen
in eine gläserne grünlich blau durchschimmernde Welt,
ein scheinbar kühles, doch unendlich reines Klopfen,
das grün und blau zu einer neuen Farbe hellt.
Welche Macht, welche glühende Kraft hat diese neue Farbe,
die grünliches bläuliches Eis zu tränendem Regen weicht
und Leben zu Leben mit saftig frischem Atem reicht,
leuchtend vor Reinheit wie eines Regenbogens strahlende Garbe!
Mit der Maßgabe „wie eine Empfindung“ werden wir in das farbige Tönen dieses Gedichtes geführt, in eine Sprache der Entzückung. Wir nehmen sie auf, ohne uns mit der Frage zu erschweren, ob es „tatsächlich“ einen Regen regne. An einem Mitspielen äußerer Gegebenheiten ist kaum zu zweifeln, aber wer hier eigentlich produziert, ist allzu klar: die Empfindung, so daß das „wie“ letztlich eine „Figur“ sein dürfte. Das kleine Wort spielt wohl schon beim Einfall des Gedichtes eine Rolle, das „i“ darin, das im Auftakt bestimmend wird: „Wie eine Empfindung klirren…“ Der organische Takt und der Vokalcharakter sind überhaupt die tragenden Elemente dieser Verse. Bei folgender Zeile waltet z.B. das „a“ vor: „Welche Macht, welche glühende Kraft hat diese neue Farbe“. Die Vokale malen ihrerseits abstrakt. Das Energetische gipfelt in einer Heilung oder Lichtung. Sie „weicht“ ein Starres und Kühles „zu tränendem Regen und reicht Leben zu Leben“.
Eigentlich müßte jetzt nicht erläutert werden, daß wir es hier mit einer Bekundung des frühen Eros zu tun haben, einer Art Liebesgedicht, dem das Gefühl unendlicher Reinheit den Stempel aufdrückt. Von ungefähr erinnern uns einige Merkmale dieses Gedichts an französische Lyrik. Ich denke an Rimbaud und Mallarmé. Autoren, mit denen sich Übende einmal befassen sollten.
VOLKER PREUSS
Fleischhauergesell
Du
aaaaaMesserschleifer,
aaaaaaaaaaGeifer
Und Blutsäufer,
aaaaaaaaaaMörder,
aaaaaaaaaaDu Knecht,
Zerhack’ Du Dein
Handwerk,
aaaaaaaaaaEkel Dich an;
aaaaaaaaaaDoch bevor Du
Das
aaaaaaaaaaTust,
aaaaaaaaaaZerhack’
aaaaaaaaaaaaaaschnell
aaaaaaaaaaNoch mich!
Diese Übung ist der letzten, den Versen eines Achtzehnjährigen, Feier eines „unendlich reinen“ Augenblicks, absolut entgegengesetzt; sie bezeugt einen Ekel und ein Grauen. Volker Preuß, 17 Jahre alt, hackt uns, dem „Gegenstande“ entsprechend, sein Lied. Jedem Sektor der Wirklichkeit das Seine – wer, was begegnete unserem Autor, was kam ihn an, wenn es gar heißt: „Zerhack schnell noch mich?“ Langen wir flugs nach der Kundenzeitschrift DER SONNTAGSBRATEN. Siehe da, auf dem Titelblatt ein fröhlicher Metzgerjunge im properen Berufshabit, in geschulterter Schüssel ein Schweinskopf, mit Brühwürstchen dekoriert, Äpfelchen zwischen den Kiefern. Die Augenschlitze scheinen ob des Schweinslebens Zweck, das appetitlichste Endprodukt zu sein, zufrieden zu blinzeln. Versöhnt fleischhauernde Biedermäßigkeit und Ästhetik, solch artiges Doppelporträt nicht mit dem Gewerbe? Jeder von uns hat seine Antwort darauf; die von V. P. dürfte keine freundliche sein. Und nun fragt es sich überhaupt, ob „sein“ eingefleischter schrecklicher Fleischer nicht zugleich ein allegorischer Geselle ist, ob nicht ganz andere „Gesellen“ auf diesem Erdenrund gemeint sind, mächtige „Handwerker“, die (frommer Wunsch) ihr Handwerk zerhacken sollten. „Mit vorzüglicher Hochachtung“.
HARALD K. HÜLSMANN
Auf der Brücke
Schwer
liegt der Schrei der Schiffe
über dem Fluß.
Die Möwen
sind wie losgelöste Blätter
Vom Baum des Todes.
Leicht
lasse ich meine Hand gleiten
über perligfeuchten Stahl.
Erste oder „frühe“ Versuche verraten sehr häufig, daß ihre Verfasser dichteten, um den Drang ihrer Empfindungen loszuwerden. Das Ergebnis ist ein subjektiver „Niederschlag“, aber selten ein Gedicht. Der Urheber wird zwar auf die Intensität pochen, aber worin besteht denn diese, mit Hinsicht auf Kunst, in Wahrheit? Zweifellos das subtilste Kapitel. Es hat wesentlich etwas mit dem Denken im Dichten zu tun, und dieses verhält sich zum Sein im ganzen. Wir meinen, daß Harald Hülsmanns Gedicht mit seinem Distanz verheißenden Titel viel davon hat. Bereits in der ersten Strophe gewinnt der Fluß allgemeinste Realität. Vor allem die mittlere Strophe besitzt diese Bedeutung gebende Sicht. Aber selbst ein leibliches Tun der eigenen Person, das in der dritten Strophe als das „Leichte“ ins Spiel kommt, zeugt von einem höheren Grad des Unmittelbaren, geradezu als Gebärde vollzogen. Nicht von ungefähr spricht der Autor vom „perligfeuchten Stahl“, in welcher Beziehung und Fühlbarkeit beides gleichzeitig „ist“: das Todhafte und das Lebendige, das Todhafte in der Tat primär, entsprechend dem Vertausch vom „Lebensbaum“ gegen den „Todesbaum“. Dieser, die eigentliche philosophisch-poetische „Neuigkeit“ innerhalb der drei Strophen, müßte freilich, wäre er wirklich gedichtet, im Gedicht entspringen. Statt dessen hat man den Eindruck, daß er gleichsam gegenständlich vorausgesetzt wird samt seinen Blättern, mit denen, als losgelösten, die Möwen verglichen werden. Von solcher Vorbegrifflichkeit beim Verfasser rührt meines Erachtens eine gewisse Trockenheit des Gedichtes her.
DIETER WEBER
Frage
Düsenjäger schreiben
in den kristallklaren Himmel
das: mene, mene tekel.
und irgendwo
in Nevada
oder Sibirien,
im Pazifik
oder der Sahara
knallt eine
A – oder H – Bombe
das Ausrufezeichen dahinter.
Verstehen heute
die Belsazars
diese Zeichen?
Wo ist heute Daniel der sie deutet?
Bei „Bombe“ muß ich an jenes bis zum Schluß seiner ungewöhnlichen Länge sprachgeladene Gedicht des Amerikaners Gregory Corso denken, enthalten in der Anthologie Junge amerikanische Lyrik, kürzlich herausgegeben vom genannten Verfasser und Walter Höllerer im Hanser Verlag. Mit diesem Buch sollten sich junge Verfasser einmal beschäftigen, im Sinne einer „Lockerungsübung“ und um sich gewissermaßen die Augen auszuwaschen, damit der Blick frischer werde, unmittelbarer, neu. Denn ich kann es nicht leugnen: in meiner Mappe mit den bereits durch die Redaktion ausgewählten Einsendungen zeigt sich viel Dürres. Soll man sich mit dem Stoßseufzer „Kein Wunder!“ begnügen, oder wollen uns die Jüngsten nicht lieber das Wunder bescheren, daß sie sich der Sprache anheimgeben, statt sich, mehr oder weniger, vor ihr zu fürchten, wobei die Ehrfurcht vor ihr bestehen bleiben soll? – Jedenfalls beginnt das Poem des 1930 geborenen Gregory Corso: „Wühltier der Geschichte Bremse die Zeit Du Bombe“, was nun keinesfalls eine Bombe auf Dieter Webers Gedicht sein soll. Dieses kommt zustande durch folgenden bitteren, ja höhnischen Einfall: eine irgendwo im Meer oder in der Wüste „knallende“ Atombombe als Ausrufungszeichen hinter dem Menetekel, das ein Düsenjäger an den Himmel schreibt. Auf die beiden Prosa-Fragen am Schluß wird jeder, aber auch jeder antworten: Die Belsazars verstehen diese Zeichen ohne besondere Schwierigkeiten – es sind letztlich ihre eigenen – und aller Welt erscheinen sie durchaus eindeutig. Aufgeweckte Zeitgenossen würden behaupten: Wir alle sind Belsazar und Prophet zugleich. Und ich meine: wäre Daniel uns erhalten geblieben, so könnte er uns gewiß das Aufkommen der alphabetischen Bomben als ein keineswegs überraschendes universales Symptom des näheren erläutern.
CHRIS. DICKMANN
Seit ich dich kenne
Lausche ich auf das Ticken der Uhr.
Noch trägst du kein Gesicht,
Doch dem fremden Gast im Schlag zweier Stunden
Rinnen meine Tränen nicht.
Ich sitze auf dem alten Sofa
Und dein Platz neben mir ist leer.
Doch die Zeit treibt dich mir entgegen,
Und eines Tages wirst du ein Gesicht tragen,
Das meine Hände lieben werden.
Seit ich dich kenne, lausche ich dem Ticken der Uhr
Auf der wurmstichigen Kommode.
Im Schlag zweier Stunden
Sitze ich auf dem alten Sofa
Und der Schaum junger Blüten
Gleitet achtlos durch meine Hände.
Der Text Chris. Dieckmanns gehört zu den wenigen eingesandten, in denen nicht das Expressive waltet. Mit diesem verhält es sich ja so: es ist nur dann von Bedeutung, wenn es sich, wie Robert Musil sagt, auf ein „volles“ Vorgestelltsein von etwas gründet. Deshalb konnte Musil von den „geistigen Kurzschlüssen“ eines „schlechten Expressionisten“ sprechen, der „Mensch, Gott, Geist, Güte, Chaos rief“, also „Vokabeln“ lediglich. In diesem Zusammenhang finde ich es stets sympathisch, wenn ein junger Übender das in der Welt Vorhandene nicht voreilig an die „großen Begriffe“ (einschließlich der negativen) veräußert. Nebenstehend nun drei Strophen, in denen Nähe und Nächstes registriert, unter Einlassung einer Erwartung freilich. Altmodisches Milieu und „biedermeierliches“ Gestimmtsein? Insgesamt wird in diesem Gedicht empfunden: Zeit. Nicht nur Chronometerzeit, auf welche die Aufmerksamkeit in erster Linie gerichtet scheint, sondern auch die natürliche, wesenhafte, die jenem Gesichtslosen eines Tages Gesicht verleiht. Ein eigentümliches Erharren, zu dem beinahe ein Sofa und eine Kommode gehört. Das ist nicht ironisch gemeint. Ob sich allerdings meine und Chris. Dieckmanns Auffassung hinsichtlich des fremden Gastes deckt? Der Text erscheint mir am Ende mehrdeutig, der Aufbau ist ohnehin undurchsichtig. Wie stehts mit dem Satzbau? Wer, z.B. ist achtlos, Schaum oder Hände? Weshalb blieb das Gedicht unbetitelt?
HANNELIES TASCHAU
Parabel
Im März 1945
war ich sieben Jahre
und entkam der Obhut
meiner Großmutter
Ich sprang in die Donau
an einer Stelle
von der ich glaubte
sie sei grundlos –
Als ich zu ertrinken begann
wehrte ich mich
Man zog mich heraus
und prügelte Wasser
und Schlamm aus mir
Drei Wochen hütete ich
voll Sanftmut das Bett
ohne das Anzeichen irgendeiner
Krankheit
dann lernte ich schwimmen
an der gleichen Stelle
Die Stichzahl 1945 in der ersten Zeile des Gedichts – es ist nämlich eines – gibt mir Anlaß zu einigen Bemerkungen. Es erweist sich immer wieder, daß über die Lyrik seit 1945 das landläufige Urteil ein eifriges, die Kenntnis aber eine dürftige ist. Es besteht da eine Vorstellung vom Losbrechen des Experimentellen, von so etwas wie einem Wildgewordensein der Dichtung; das diesbezügliche Kopfschütteln gehört zur guten Sitte. Unkenntnis hat einige Arbeit vor sich, um zur Kenntnis zu werden; denn sie Sache verhält sich nicht so. Das falsche Bild ergibt stets die Peripherie, auf der sich „produktiv“ diejenigen tummeln, die dank ihres eigenen Mißverstandes die Modernität „vermiesen“. Was ist diese aber? Sie ist nichts als das fortgesetzte Experiment namens Kunst, das mittels seiner jeweiligen Formen Verwandeltes „feststellt“, dabei auf neue Verwandlung gefaßt. Echte Modernität wird auch nicht die Stimmen der Vorfahren in den Wind schlagen, die doch in Wirklichkeit ihre Vorbereiter waren. Im Zusammenhang mit Heutigen denke ich z.B. an Oskar Loerke, der wenige Jahre vor 1945 starb. Lese man doch seine Essays! Zwei aus der Vielzahl, die mir besonders wesentlich scheinen, sind unter Nr. 733 der Inselbücherei billig zu haben. Einer der beiden handelt vom Reim! Und was diesen betrifft, ist auch er noch weithin innerhalb neuer, ja neuester Lyrik zu finden. Den es dazu treibt, der wendet ihn an. Freilich sollte das Augenmerk darauf gerichtet sein, welche „Dinge“ sich da im Reime verständigen, d.h. auf die Intelligenz des die Reime zeugenden Gefühls. Nebenstehendes Gedicht ist ohne Reim, und doch „reimt“ sich dieselbe Stelle der Donau mit sich selbst als Ort von zweierlei Zeit mit zweierlei Einsicht.
Ernst Meister, Schreibheft, Heft 28, November 1986
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