Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Anthologika (Teil 17)

Anthologika

Teil 16 siehe hier

Rund zwanzig Jahre nach «Septembermorgen» entstand Mörikes reimlose Dichtung «Auf eine Lampe» (1846), ebenfalls ein lyrischer Beschreibungstext, diesmal aber nicht als Natur-, sondern als Dinggedicht. Gegenstand ist hier ein «Kunstgebild», das in der Alltagswelt seine Funktion hat, dabei jedoch in seiner «echten Art» und Schönheit übersehen wird:

Noch unverrückt, o schöne Lampe, schmückest du,
An leichten Ketten zierlich aufgehangen hier,
Die Decke des nun fast vergessnen Lustgemachs.
Auf deiner weissen Marmorschale, deren Rand
Der Efeukranz von goldengrünem Erz umflicht,
Schlingt fröhlich eine Kinderschar den Ringelreihn.
Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist
Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form –
Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein?
Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst.

Der meistzitierte Vers dieser Strophe ist der letzte: «Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst.» Das nimmt sich wie ein Kommentar zur Beschreibung und Belobigung der schlichten Deckenlampe aus, und dementsprechend ist der fast schon sprichwörtliche Vers auch vielfach ausgelegt worden.
Ich lese das anders, nämlich schlicht faktographisch, das heisst als Teil und Abschluss der vorgängigen Beschreibung. Die Lampe gibt keinen Anschein, nicht ihr Scheinen ist schön, schön ist sie «selbst», allein schon deshalb, weil sie scheint … weil sie tut, was nottut. Mehr ist dazu nicht zu sagen, da in Mörikes Gedicht ja alles gesagt ist.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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– Ein Glossar –

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