Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Vom Leitwortstil in der Lyrik (Teil 2)

Vom Leitwortstil in der Lyrik

Teil 1 siehe hier

Der «Leitwortstil» (Begiff von Martin Buber) ist ein vielfältiges dichterisches Verfahren, das mit rein lautlichen Mitteln ein Sinngefüge erzeugt, das also Klang in Bedeutung überführt. Dabei wird das Leitwort in immer wieder andrer Lautung eingesetzt, also klanglich variiert, was meistenfalls durch minimale Verrückung oder durch Vertauschung einzelner Elemente (Buchstaben, Silben) geschieht. Aus stetig wiederkehrenden Klängen, Klangähnlichkeiten und Klangverbindungen entsteht solcherart so etwas wie ein Klangteppich, der den gesamten Gedichttext überspannt und ihn in eine entsprechende Tonart versetzt – ein Phänomen, das schon in den alttestamentlichen Büchern und in der antiken Versdichtung zu beobachten ist, wo als Leitwort vorzugsweise ein Herrscher- oder Göttername vorausgesetzt wird.
Das Gedicht ist demzufolge ein assonantisch sich auslebendes, zu einem Text sich entfaltendes Wort. Dieser Prozess verläuft teilweise bewusst (gelenkt durch den Autor), teilweise auch unbewusst und ungewollt, weil ja die Sprache selbst das zu verwendende Lautmaterial immer schon bereithält, und dieses quantitativ mehr oder weniger beschränkte Material muss denn auch obligatorisch verwendet werden, um den Leitwortstil zu realisieren. Das Ausgangswort sollte jedenfalls möglichst viele lautliche Varianten beziehungsweise Assonanzen bieten, weil andernfalls eine produktive Entfaltung nicht möglich wäre. In solchem Verständnis erweisen sich etwa die Wörter «Sünde» und «Klavier» als kaum verwertbar, während z. B. «Ort» – als Leitwort – lautlich wie buchstäblich vielfach abgewandelt werden kann: «rot», «dort», «Tor», «Bord», «Brot», «bohrt», «droht» usf.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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