Dirk von Petersdorffs Gedicht „A 7, Kasseler Berge“

DIRK VON PETERSDORFF

A 7, Kasseler Berge

Nimm eine schwarze Nacht und sieh –
da ist ein schwereloser Bogen,
ein heller Strom aus Energie
durch die Finsternis gezogen.

Kennst du es noch, das alte Lied –
ein kaltes Schwinden ist die Welt,
von jeder Stätte müßt ihr fliehn,
jedes Menschen-Licht, es fällt.

1999

aus: Dirk von Petersdorff: Bekenntnisse und Postkarten. Gedichte. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1999

 

Konnotation

In seinen ersten beiden Gedichtbänden hatte sich der 1966 geborene Dirk von Petersdorff noch als scharfsinniger Ironiker vorgestellt, der die alten Weltschöpfungsprogramme der Philosophie und der Dichtkunst lässig auszuhebeln versuchte. Bereits in seinen Bekenntnissen und Postkarten von 1999 jedoch zeigte sich von Petersdorff kaum mehr interessiert an der Dekonstruktion der poetischen Altvorderen als vielmehr an der Rettung der Tradition. Seither kokettiert er mit einem sehr hohen Ton und verschmäht auch nicht „das alte Lied“ der Heineschen Volksliedstrophe.
Das Gedicht bezieht seinen Reiz aus der Kontrastierung seines demonstrativ profanen Titels mit dem romantisch aufgeladenen Gesang der Verse. Den Augenblick einer Autobahnfahrt, deren Ödnis man gemeinhin wenig Poetisches abgewinnen kann, verwandelt Petersdorff in eine kleine lyrische Offenbarung von Licht und Nacht.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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