HEINRICH HEINE
Aus meinen großen Schmerzen
Aus meinen großen Schmerzen
Mach ich die kleinen Lieder;
Die heben ihr klingend Gefieder
Und flattern nach ihrem Herzen.
Sie fanden den Weg zur Trauten,
Doch kommen sie wieder und klagen,
Und klagen, und wollen nicht sagen,
Was sie im Herzen schauten.
1822
Der große Sänger der Liebe, der in Düsseldorf geborene Heinrich Heine (1797–1856), gilt als „letzter Romantiker“ und zugleich „Überwinder der Romantik“. Beides darf zurecht behauptet werden: Klangliche und thematische Anleihen an romantische Gedichte lassen sich aufzeigen, sie werden aber von Heine hintertrieben und benutzt, um über das Genre scharfzüngige Kommentare einzuschmuggeln.
Die Melancholie der Verse hat einen doppelten Boden. Ein Unglücklicher beklagt die Wirkungslosigkeit seiner Gedichte an die Angebetete. Der Dichter erfährt nicht, welche seelischen Resonanzen seine „kleinen Lieder“ auslösen. Es darf vermutet werden, dass Heine hier ein Statement über die Wirkungsmächtigkeit von Poesie allgemein formuliert. Verfehlen die romantischen Verse ihre Wirkung bei der Geliebten vollends oder sind es andere Hindernisse, die den Weg zu ihrem „Herzen“ versperren? Die romantisch Geliebte mag die Öffentlichkeit repräsentieren, bei der eine Poesie, die nicht über die Konvention hinausgeht, wirkungslos bleibt.
Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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