NORBERT HUMMELT
im vierten sommer
das erste bild das ich konkret entsinne
stieg aus dem dunkel auf das immer um
mich war als ich die dinge fast noch ohne
worte sah .. ich lief, ich stolperte, ich wurde
hochgehoben, auf einmal bin ich auf dem
traktor oben u. weiß nicht mehr wohin die
andern sind .. die luft ist unsichtbar, die luft
ist warm, die sommersprossen sind an
meinem arm u. muster sind in meine haut
verwoben, die bleiben so, daran erkenn ich
mich: so punkte, linien, gefärbte zeichen
u. jucken nicht so wie ein mückenstich
2000
aus: Norbert Hummelt: zeichen im schnee. Luchterhand Literaturverlag, München 2001
„Dichtung ist Lichttherapie, auch wenn sie dunkel ist.“ Dieses Bekenntnis des 1962 im Rheinland geborenen Dichters Norbert Hummelt passt gut zu jener romantischen Illuminierung von Kindheits-Augenblicken, die viele Gedichte dieses Autors prägt. So auch das 2004 erstmals veröffentlichte Gedicht über jenen Moment der frühesten Erinnerung. Alles rückt in ein mildes, begütigendes Licht.
In Hummelts Kindheitsgedichten, die vom Verlust der Dinge, aber auch vorn Schmerz über den Tod geliebter Menschen handeln, sind die sinnlichen Erscheinungen und Alltagsphänomene sehr zart und sehr inständig benannt. In Hummels Sprache der Vergänglichkeit spricht ein Ich, das sich bevorzugt in den unbefestigten Bezirken zwischen Schlaf, Traum und Wachzustand aufhält – ein Ich in den Zonen des Dämmerns und der Trance.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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