THEODOR STORM
Und war es auch ein großer Schmerz,
Und wärs vielleicht gar eine Sünde,
Wenn es noch einmal vor dir stünde,
Du tät’st es noch einmal, mein Herz.
1851
„Die Hälfte meiner Poesie gehört ihr“, bilanzierte der Spätromantiker Theodor Storm (1817–1888) im Jahr 1866 die Liebe seines Lebens, die unerfüllte Leidenschaft zur Senatorentochter Dorothea Jensen. Auch seine lyrische Miniatur aus dem Jahr 1851 scheint eine spruchhafte Reflexion auf die Tragik dieser Liebesgeschichte zu sein: Schon kurz nach seiner Eheschließung mit seiner Cousine Constanze Esmarch im Jahr 1846 hatte sich Storm in Dorothea Jensen verliebt und eine erotische Liaison mit ihr begonnen; die spätere Heirat mit ihr 1866 brachte ihm kein Glück mehr.
Das lyrische Ich formuliert ein Bekenntnis zur Poesie des Herzens und zur Emotion als innerster Antriebskraft des Handelns. Diese romantische Konfession richtet sich gegen alle Vorschriften der Moral und der Religion und gegen alle Erfahrungen des Schmerzes. Damit wird auch die untrennbare Einheit von gefühlsgesteuerten Entscheidungen und der Erfahrung von Leid behauptet, der unauflösbare Zusammenhang von Liebe und Schmerz.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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