EIN HERBSTABEND
An Karl Röck
Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten
Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,
Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbene gehen
In kühlen Stuben jener Bett bereiten.
Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten
Sich über braune Jauche. Mägde gehen
Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn
Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.
Für Einsames ist eine Schenke da;
Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,
Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.
Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.
Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen
Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.
Georg Trakl
FERNGEZOGEN
Dieses Dorf kennt kein Ende keinen Anfang nur die Berge den Wald ringsum die Wein überschwemmten Ebenen ringsum dieses Dorf schnürt sich der Wein so fest der Wald um die Hände der Gebliebenen sind groß und schwer haben Schwielen wie Kinderaugen und bekommen kaum ihr Bier unter den schwankenden Laternen zu fassen das bleiche Licht in der Stube sitzen die Kinder mit rostroten Wangen schlafen in Fässern aus Eichenholz rollen die Kinder bergan bergab wie goldene Fischchen bis sie am Berg ringsum zerschellen dieses Dorf hat kein Ende keinen Anfang nur eine Straße mit windschiefem Gebälk an den Seiten ducken die Häuser vorm Dunkel sind alle braun und schwarz so schwarz sind die Häuser verlorene Hütten vom Wein gegen den Wind der durch das Tal bricht gehalten wird ihnen ein Licht aufgesetzt zünden die Feuer wenn es Herbst ist schnauben rote Elefanten über die Ebenen und holen Gottes Segen ein wenn es Herbst ist werden die Trauben von den Reben geschlagen die Kinder in der Stube sind goldene Fischchen zerschellen am Berg kein Ende dieser Wald nimmt kein Ende die Schüsse in der Nacht und das türmende Wild steht zwischen den Häusern schonungslos Einsames unter den schwankenden Laternen kein Ende dieser Wald und die Berge nichts führt hinaus nicht einmal die Toten kennen den Weg sie wissen nicht wohin und sitzen in der Stube halten sie ihren Schlaf mit den Gebliebenen beten sie für die goldenen Fischchen reiten auf dem durchschossenen Wild über die Straße und setzen den Häusern ein Licht auf schwere Schatten sind die Toten sah ich auf der Straße mit den Jungs spielen die tragen ein leichtes Gewehr das Wild zu schießen trage ich Leichtes und die Toten auf meinen Schultern liegen ihre Schatten braun und schwarz und nah so nah die Toten auf meinen Schultern sitze ich plötzlich in der Schenke vom Rauch umzogen spielen die Jungs und haben rostrote Wangen ein Licht wird mir aufgesetzt ich weiß nicht wie weit ich gegangen bin ich weiß nicht wie weit ich lief woher ich kam ich weiß nicht und frage die Toten in diesem Dorf wissen nicht wohin in diesem Dorf gibt es kein Ende nur ein langanhaltendes Schreiten im Dunkel an Mauern und Bögen entlang fahren meine Hände reißen das Laub ist schwarz und braun und rot und golden wie die Fischchen in den Fässern zerschelle ich am Wald bergan bergab am Dunkel reiße ich das Laub ist morsch und faul vom Regen der über uns niederging und das Dorf wusch in braune Jauche wusch die Häuser versinken stündlich die Stuben und kühlen feuchten Betten versinken die Jungs spielen in der Jauche liegen die Toten Mann wie Weib in der kühlen Stube wird mir ein feuchtes Bett bereitet ich weiß nicht wie weit ich lief woher ich kam wie lange ich schon lieg in diesem Bett durchhör ich die Laken hör ich ein Läuten aus der Nacht es ist Herbst in diesem Bett faulen die Blätter sind morsch und welk wird ein Feuer gezündet zur Nacht durchlausch ich die Laken was da Einsames hineingeistert die Verse der Trunkenen schnattern durch die Schenke zieht ein Gewölk Vögel durch meine Augen schwarz und nah ziehen die Toten werfen ihre Schatten voraus.
Nancy Hünger
Geleitwort
TRAKL REGT AUF. ––––
Einen „großen Eindruck“ machte die erste Gedichtsammlung Georg Trakls, die für eine Veröffentlichung bestimmt war, auf seinen Jugendfreund Erhard Buschbeck; Franz Werfel, der Lektor des Verlages, nahm sie dann mit großer Bewunderung ins Programm auf. Rainer Maria Rilke las die Gedichte des Sebastian im Traum „ergriffen, staunend, ahnend und ratlos“. Doch nicht immer reagierten die frühen Leser Trakls so positiv.
1913 gaben die jüngeren Mitglieder der Salzburger Literatur- und Kunstgesellschaft Pan eine Anthologie mit dem Titel Salzburg. Ein literarisches Sammelwerk heraus. Darin erschienen auch vier Gedichte von Georg Trakl, darunter „Drei Blicke in einen Opal“. In einer Besprechung des Salzburger Volksblattes, das Trakl sonst durchaus freundlich gesinnt war, hieß es dazu, dass seine Beiträge eine „bedenkliche Verworrenheit der Gedanken“ zeigten, die beim Leser „keine rechte Stimmung“ aufkommen ließen.
Als in der Innsbrucker Halbmonatsschrift Der Brenner ab Mai 1912 regelmäßig Gedichte Trakls erschienen, steigerte das nicht unbedingt den Absatz der Zeitschrift. Eine Tiroler Zeitung meinte dazu:
Impressionismus extremster Sorte, an futuristischen Unsinn grenzend.
Selbst ein Karl Kraus, der zu Trakl ein durchaus von Sympathie getragenes Verhältnis hatte, empfand seine Gedichte, von seinen „klassischen Horizonten“ aus gesehen, eher als chaotisch und die Nachricht von seinem Tod kommentierte er in einem Brief mit der Bemerkung:
Er ist wohl kein Opfer des Krieges. Es war mir immer unbegreiflich, daß er leben konnte. Sein Irrsinn rang mit göttlichen Dingen.
TRAKL REGT AN
–––– einerseits zur Nachahmung:
Schon 1910 sah Georg Trakl in Ludwig Ullmann, einem Bekannten aus der Wiener Szene des Akademischen Verbandes für Literatur und Musik, einen Nachahmer seiner literarischen Methode, der „heiß errungenen Manier“ seiner Arbeiten. Trakl ekelte es vor der „Gosse voll Verlogenheit und Gemeinheit“ in der papierenen Welt. Er hätte sich später bestätigt finden können in manchen Gedichten, deren Verfasser sich ungeniert seines Wort- und Bildmaterials bedient haben. In den 1950er Jahren hat es bei manchem Autor „getrakelt“ und die Kraft des Vorbildes konnte auch zu einer – meist vorübergehenden – Blockade führen, worüber zum Beispiel Thomas Bernhard geklagt hat.
TRAKL REGT AN
–––– andrerseits zur Auseinandersetzung:
Die Musikalität der Gedichte Trakls faszinierte Komponisten schon früh und forderte sie zu einer musikalischen Antwort heraus. Trakls Förderer, Ludwig von Ficker, hatte zwar Bedenken, dass dabei beide Teile zu kurz kommen könnten, doch machte sich Anton Webern schon 1915 erste Notizen zur musikalischen Umsetzung von Trakl-Gedichten. Seither haben sich über 130 Komponisten mit den Texten des Dichters befasst und im 100. Todesjahr wird in Salzburg ein Oratorium nach Texten von Georg Trakl von Klemens Vereno aufgeführt.
Bildende Künstler haben in der ausdrucksstarken Bildwelt Trakls eine Anregung gesehen, Elemente daraus mit ihren künstlerischen Mitteln umzusetzen. Oskar Kokoschka, dem es versagt blieb, Trakls Totenmaske nehmen zu lassen, zeichnete seinen Kopf aus der Erinnerung und hatte offenbar auch die Absicht, „Bilder zu seinen Versen“ zu machen, was Ficker „von ganzem Herzen“ begrüßte. Bei Kokoschka blieb es bei der Absicht. Bekannt geworden sind aber die Federzeichnungen von Alfred Kubin zu Trakls „Offenbarung und Untergang“ die Erfahrungen zu Kriegsende 1945 hatten ihn dazu angeregt. Seither gab es eine Reihe von bildenden Künstlern, die sich punktuell oder ausführlicher mit Trakl befasst haben. Die Einreichungen zum Trakl-Preis für Bildende Kunst 1987 und 2014 in Salzburg sind eindrucksvolle Beispiele für die Vielfalt der Reaktionen.
Vielfältig sind auch die Antworten von Lyrikern und Lyrikerinnen auf Erscheinung und Dichtung Georg Trakls. Während sich manche Zeitgenossen noch auf die Bekanntschaft mit ihm stützen konnten, hatte die große Zahl derer, die sich in den vergangenen hundert Jahren mit einem Gedicht oder einer Stellungnahme zu ihm geäußert haben, das unterschiedlich vermittelte Bild Trakls oder, in den meisten Fällen, ausschließlich seine Gedichte vor Augen. Denn die Besonderheit seiner Sprache, ihr Klang und die Kraft und das Geheimnis der Bilder hatten und haben eine beinahe magische Wirkung, die anhält. Davon zeugen mehrere Sammlungen von Dokumenten der literarischen Rezeption wie die Antworten auf Georg Trakl (1992) oder zuletzt der Band Trakl-Echo (2013), in dem 149 Gedichte zu diesem Dichter nachzulesen sind.
Man kann also schon von einer Tradition der poetischen Rezeption sprechen, an die der vorliegende Band anschließt. Der Ansatz ist hier jedoch ein anderer: Fünfzig Lyriker und Lyrikerinnen haben sich auf ein bestimmtes Gedicht Trakls näher eingelassen und sich mit dessen Gedanken und Sprache auf ihre jeweils besondere Weise auseinandergesetzt. Es sind eindrucksvolle Beispiele dafür, wie die häufig als ,monologisch‘ bezeichnete Dichtung Georg Trakls eine Anregung zu einem dichterischen Dialog sein kann. Als Leser kann man ihn aufmerksam mitverfolgen.
Hans Weichselbaum, Vorwort
Das innige Sprechen
Vor gut 30 Jahren las ich im Bus, der mich von der Schule nach Hause brachte, in einem Buch mit, in dem meine Sitznachbarin blätterte. Ein Gedicht darin ergriff mich so und verstörte mich zugleich auf eine Weise, wie ich es nie wieder erlebt habe. Bis heute ist die fünfte Fassung von „Untergang“ mein Lieblingsgedicht von Georg Trakl und das mir liebste Gedicht überhaupt. Sein letzter Vers stellt für mich ein poetisches Lebensmotto dar:
Unter Dornenbogen
O mein Bruder klimmen wir blinde Zeiger gen Mitternacht.
Trakl schreibt nicht „erklimmen“. Du und ich, wir selber sind die Zeiger, die auf der dornenumrankten Lebensuhr hinaufsteigen in die dunkle Mitte, um am Scheitelpunkt des Wegs in eins zu rücken.
Seit dieser Busfahrt mit Georg Trakl begleitet mich sein Werk und mache ich mir Gedanken über sein Leben und seine wenigen, so irritierenden wie begeisternden, so rätselhaften wie einfachen Äußerungen zu Dichtung, Glaube, Liebe und Verlorenheit. Nach einer kleinen Grünfläche am Inn nannte ich meinen Gedichtband von 2012, der Unveröffentlichtes aus 25 Jahren versammelt, Traklpark. Denn seit ich zum ersten Mal Georg Trakls Grab auf dem Neuen Friedhof von Innsbruck-Mühlau besuchte, gehe ich immer wieder auch in den vom Verkehr umtosten und still vom Inn flankierten Park. Er ist für mich ein Stück Herzland.
Dem Inn zugewandt steht dort ein Gedenkstein, auf dem ein Vers aus Trakls „De profundis“ zu lesen ist:
Gottes Schweigen
Trank ich aus dem Brunnen des Hains.
In der Nachbemerkung meiner Gedichte schrieb ich:
Alles in diesem Vers fand ich vor an diesem seltsamen Ort: Der Brunnen war der Inn, der Hain der Park. Gott schwieg zum Singen der Vögel, zum Rauschen der Bäume und zum Brausen der Busse und Autos auf der Brücke. Und auch ich war da.
Wo in deinem Leben stehst du, frage ich mich im Traklpark, im Ernst: Was bedeutet dir Glaube, was Fremde? Und deine Zeit, und die Vergangenheit? Was Landschaft, was Liebe? Geben deine Gedichte das wieder? Können, sollen sie’s wiedergeben? Wie hätte wohl Trakl heute Gedichte geschrieben? Wozu überhaupt noch Gedichte? Und wie sollen die aussehen, wenn die Welt kein Aussehen mehr hat?
Immer wieder gelingen Trakl in nur wenigen Zeilen Bilder vom osmotischen Austausch zwischen Außen und Innen, Welt und Seele, die meine Vorstellung von Unwirklichkeit und Nichtsagenkönnen genauso tief geprägt haben wie mein Festhalten an der Tröstlichkeit der Betrachtung: „Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische. / Stunde der Trauer, schweigender Anblick der Sonne; / Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“, heißt es etwa in „Frühling der Seele“. Die Seele ist bei Trakl nicht allein fremd in ihrer Welt, sie ist „ein Fremdes“. Mehr oder minder hilflos übertragen das die drei Übersetzungen ins Englische, die ich kenne, mit „something strange“, „a strange shape“ und „a stranger“. Wer sich getrennt sieht von etwas Nichtausdrückbarem, zugleich aber Geahntem und Erspürtem, begreift Georg Trakls Vers unmittelbar. Er spricht ihm aus der Seele.
Bevor er eines Nachts Ende August 1914 vom Innsbrucker Bahnhof abfuhr an die galizische Ostfront, überreichte Trakl gutgelaunt, was er nicht selten gewesen sein soll, an der Mütze eine wippende Nelke, wie es heißt, dem befreundeten Herausgeber des Brenner einen Zettel. Neben zwei Gedichten, die er Ludwig von Ficker aus Galizen noch schickte, sowie ein paar Feldpostkarten und -briefen sind die vier auf dem Zettel notierten Zeilen das Letzte, was er schrieb:
Gefühl in den Augenblicken totenähnlichen Seins: Alle Menschen sind der Liebe wert. Erwachend fühlst du die Bitternis der Welt; darin ist alle deine ungelöste Schuld; dein Gedicht eine unvollkommene Sühne.
In den Momenten der denkbar größten Entfernung von allem Lebendigen fühlst du, dass alle, ausnahmslos, somit auch du, der Liebe wert sind, auch der deinen.
Es war Krieg. Trakl war 27 und sein Leben und seine Gesundheit hoffnungslos zerrüttet. Er konnte wahrlich von einer bitteren Welt sprechen. Dennoch sieht er nicht im Elend der Sachzwänge, im Unerbittlichen der Realität die Gründe, um für sich und alle anderen von Scheitern, von „ungelöster Schuld“ zu sprechen. Es gibt keine Brücke zwischen dem für ein erfülltes Leben nötigen Wirklichkeitssinn und einem Unwirklichkeitsempfinden, das Trakl als einer der ersten in Worte zu fassen vermochte. Die Liebe, die du fühlst, kannst du nicht mitteilen, nicht ihnen, denen sie gilt, es sei denn in den Zwischenräumen des Schweigens, die das Gedicht auszuloten versucht.
An diesem innigen Sprechen halte fest, es gibt kein besseres.
Mirko Bonné, Frühjahr 2014, Nachwort
Trakl 1989
Eine schwarze Höhle ist unser Schweigen,
Daraus bisweilen ein sanftes Tier tritt
(Georg Trakl)
Mit einer hellbraunen Reclam-Ausgabe der Menschheitsdämmerung begann es, die ich als Siebzehnjähriger aus einem Buchladen in Ostberlin herauszog. Damals klauten wir Bücher und staatlichen Whisky, beides passte gut unter die Jacke, und was kostete schon die Welt?
Menschheitsdämmerung – ein Titel wie für uns gemacht!
Nervös und eilig blätterte ich in dieser sagenhaften und sagenumwobenen Sammlung, es war zum Atem-Anhalten: Der kalte Furor der Morgue-Gedichte von Gottfried Benn wehte aus den Seiten, Frau Lasker-Schüler schwebte über ihrem Teppich-Tibet, Heyms Gott der Stadt und das Weltende von van Hoddis grüßten. Und dann war da noch einer.
Unsere Dämmerung wurde groß und geräumig, Pessimismus eine Art von Zärtlichkeit.
Trakl, einer unserer Beichtbrüder, dem wir uns anvertrauten, wenn wir nachts vom Fusel blind, und verstört, die Wirklichkeit auszulöschen gedachten. Denn die Wirklichkeit war ein Hund ohne Schwanz, der sich in den Schwanz beißen wollte.
Groß war die Nacht, die uns gehörte, und Trakl. Ebenso groß wurde unser Schweigen, es wurde finster und laut, eine Höhle ohne Ausgang. So blieben seine Zeilen treue Begleiter, bis der eiserne Vorhang im Herbst 1989 aufriss.
Lange hörte ich nichts von Trakl und stellte ihn zurück in den Bücherschrank.
Erst vor einigen Jahren bin ich ihm wieder begegnet in den Prozessionen des Nebels, wie man sie nur in Krakau finden kann. Es schien, als berührte mich ein erster sterblicher Hauch oder eine Vorahnung. Dabei war von ihm nichts zu sehen und wie aus einem anderen Leben sprach eine Stimme. Etwas murmelte und stammelte und ich vernahm wieder die Verse von „Schlaf und Tod“, den „düstern Adlern“.
Seine Gedichte funkeln wie Sterne über der Szenerie. Sie sind aus einem seltenen Material, nicht aus Eis oder Weltraumschrott, sondern aus indianischem Gold. Unschätzbar die Anzahl an Karat, letztlich unverkäuflich und an keinem Handelsplatz dieser Welt erhältlich. Jedoch lesbar und haltbar bis in alle Ewigkeit.
Tom Schulz, Frühjahr 2014, Nachwort
Jeder der fünfzig Autoren
hat einem Gedicht, einem Textfragment oder einer Briefstelle von Georg Trakl einen eigenen poetischen oder essayistischen Text zur Seite gestellt. Diese unterschiedlichen Blicke und Reaktionen auf Georg Trakls Leben und Schreiben erzeugen ein vielfältiges Echo und ein fortgesetztes Gespräch mit einem der ganz Großen und Wirkungsmächtigen unter den deutschsprachigen Dichtern. Entstanden ist so eine außergewöhnliche poetische Würdigung des Lyrikers Georg Trakl.
Zum 100. Todestag von Georg Trakl (1887–1914) am 3. November 2014 haben Mirko Bonné und Tom Schulz gemeinsam mit dem Münchner Lyrik Kabinett zeitgenössische Lyrikerinnen und Lyriker eingeladen, sich mit Trakls Gedichten auseinanderzusetzen.
Stiftung Lyrik Kabinett, Klappentext, 2014
Störrisch, sperrig, gut
– Die wichtigsten deutschsprachigen Neuerscheinungen haben viel mit dem Jahrhundertdichter Georg Trakl zu tun. –
„Poesie war Widerstand“, lautet der vielleicht meistzitierte Satz aus Kruso, Lutz Seilers Debütroman, der in diesem Jahr mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Seiler ist bislang vor allem als Lyriker hervorgetreten, seine Hauptfigur, Ed Bendler, verehrt besonders den Dichter Georg Trakl, „der am unerbittlichsten tönte mit seinen Versen aus Laub und Braun“.
Die Verse Trakls, dessen Todestag sich am 3. November zum 100. Mal jährt, zählen in der Tat zum Widerständigsten, was die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Obwohl ihr Vokabular überschaubar und eingängig ist, sperren sich diese so fremdartig wirkenden Gedichte gegen ihre Vereinnahmung. Das kann man an dem soeben erschienenen Band Trakl und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal gut nachvollziehen. Unter dem Dach der Münchner Stiftung Lyrik Kabinett und herausgegeben von Mirko Bonné und Tom Schulz haben sich 50 Lyrikerinnen und Lyriker mit einem bestimmten Gedicht Trakls auseinandergesetzt, unter ihnen so bekannte wie Friederike Mayröcker und Durs Grünbein. Herausgekommen ist eine anregende, nicht selten zum Widerspruch reizende Aktualisierung von Trakls Dichtung, deren Wucht nicht nur Ed in Kruso, sondern auch der Leser von Trakl und wir umso heftiger spürt, je blasser der zeitgenössische Gegenentwurf ausfällt.
Beate Tröger, der Freitag, 10.12.2014
Weitere Beiträge zu diesem Buch:
Christa Wißkirchen: Einladung zur Todestags-Party – und alle kamen mit Geschenken
fixpoetry.com, 2.11.2014
TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal – ein neues ,blaues Buch‘ des Lyrik Kabinetts. Mirko Bonné, Tom Schulz und Hans Weichselbaum am 12.11.2014 im Lyrik Kabinett München mit einem Grußwort von Helmut Koller (Generalkonsul von Österreich)
TRAKL
Als ein Blitz
fuhr der Tag nieder
über dem Wasser.
Unter der Tür
stand der Schwester Schatten.
Die Schwalbenflucht hob an.
Johannes Bobrowski
TRAKL (II)
Stirn.
Der braune Balken.
Dielenbretter. Die Schritte
zum Fenster.
Das Grün großer Blätter. Zeichen,
geschrieben über den Tisch.
Die splitternde Schwelle. Und
verlassen. Langsam
hinter dem Fremdling her
unter Flügeln der Dohlen
in Gras und Staub
die Straße ohne Namen.
Johannes Bobrowski
Klaus Mann: Ueber Georg Trakl in der Weltbühne vom 2.10.1924
Wilhelm Grashoff: Dichter der Schwermut und der Vergänglichkeit, Die Zeit, 12.1.1950
Eberhard Sauermann: LESEN oder meiden
Slata Roschal: Georg Trakl wiedergelesen – Ein melancholisches Entzücken
Ulrike Tanzer: Georg Trakls letzte Reise
Zum 50. Todestag des Autors:
Heinz Ludwig Arnold: Georg Trakl zum Gedächtnis
Die Tat, 30.10.1964
Zum 100. Geburtstag des Autors:
Adrien Finck: Trakl hier und heute
Hans Weichselbaum (Hrsg.): Trakl-Forum 1987, Otto Müller Verlag, 1988
Zum 90. Todestag des Autors:
Hans Weichselbaum: Endstation Grodek
Die Furche: 18.11.2004
Zum 100. Todestag des Autors:
Norbert Hummelt: Strassen der Verwesung
Neue Zürcher Zeitung, 21.7.2014
Gunnar Decker: Wahrheit ist Schmerz
Neues Deutschland, 3.11.2014
Arno Widmann: „So einsam war es in der Welt“
Frankfurter Rundschau, 2.11.2014
Beatrice von Matt: Blaue Stille, dunkle Gifte
Neue Zürcher Zeitung, 3.11.2014
Gerald Heidegger: „Wie weh ist die Welt…“
orf.at, 3.11.2014
Dieter Kaltwasser: Lasst ihn in seiner Einsamkeit
literaturkritik.de, 3.11.2014
Peter Paul Wiplinger: Trakl – eine Betrachtung
editionslabor.de, 3.11.2014
Eberhard Sauermann: Sinnsuche und -verweigerung
Die Furche, 30.10.2014
Jan Kuhlbrodt: Der erste Kontakt
signaturen-magazin.de
Andreas Puff-Trojan: Weißer Engel an verfallener Mauer
Hajo Jahn (Hrsg.): Der blaue Reiter ist gefallen. Peter Hammer Verlag, 2015
Fakten und Vermutungen zum Autor + Instagram 1 & 2 + IMDb + Touri-Website + ÖM + IZA + di-lemmata + Archiv 1 & 2 + Internet Archive + Kalliope
Porträtgalerie: Keystone-SDA
Trakl 1: Manuskripte. Virtuelle Führung durch den Georg-Trakl-Nachlass im Brenner Archiv.
Trakl 2: Probleme der Edition. Virtuelle Führung durch den Georg-Trakl-Nachlass im Brenner Archiv.
Trakl 3: Krieg und Testament. Virtuelle Führung durch den Georg-Trakl-Nachlass im Brenner Archiv.
Fakten und Vermutungen zum Herausgeber Mirko Bonné + Instagram + IZA + KLG
Porträtgalerie: akg-images + Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Bogenberger Autorenfotos + Brigitte Friedrich Autorenfotos + IMAGO
shi 詩 yan 言 kou 口
Fakten und Vermutungen zum Herausgeber Tom Schulz + Instagram 1 & 2 + Facebook
Porträtgalerie: Dirk Skiba Autorenporträts + Galerie Foto Gezett + Keystone-SDA
shi 詩 yan 言 kou 口
Tom Schulz rezitiert seine Gedichte „Bobrowski in Friedrichhagen“ und „Krakau im Nebel“: Live-Mitschnitt seiner Lesung vom 19.6.2011 in der Offiziersmesse des Schulschiffs Deutschland, Bremen (Vegesack). 12. Internationales Literaturfestival Bremen „POETRY ON THE ROAD“.








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