Marcus Roloff: im toten winkel des goldenen schnitts

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Marcus Roloff: im toten winkel des goldenen schnitts

Roloff-im toten winkel des goldenen schnitts

WIEPERSDORF 3

in dieser schlosslosigkeit
steht die lektüre der kronenwächter
mir allerdings noch vor augen

in dieser windradmütze in der zugleichsbucht
auf der terrasse zum niedersten fläming

verwitwen die gäste des hauses voreinander ganz offen
auftaktet die mahlzeit den tag

die sieben der vergangenen
woche die falsch übersetzte datumsgrenze und
morgen das gestern von heute

 

 

 

zu im toten winkel des goldenen schnitts

zunächst möchte man meinen, da will uns einer mit eigenwillig gebeizten pflöcken in die karte zwingen, die ihm vorschwebt. beinahe unmerklich jedoch verbinden sich die eingeschlagenen holzstifte mittels wortstrippen, anfang lose. sobald das netz vollständig ausgelegt ist, geht es ans seilspannen. marcus roloff benutzt dazu einen harpenodapter. die lust aufs nachschlagen kann er nicht voraussetzen, also setzt er sich darüber hinweg und vertäut sich in privater kartografie. könnte man denken. aber ehe dieser gedanke sich festsetzt, wird er vom ticken der zeit eingeholt. die zeit erscheint zum beispiel mit frau rogge und frau beusel, den begleiterinnen auf der klassenfahrt 1985. von ihren dauerwellenfrisuren ist nicht die rede, aber der leser kommt nicht umhin, sie zu imaginieren. und die ddr-dederonstrümpfe gleich mit. chronotopische gedichte lassen ein weltzeitbild entstehen, das es in sich hat. kein erbeigenes liegenschaftsbuch der verdinglichten rede. sprache erscheint nirgends als gebrauchsobjekt mit warencharakter. befreit kann ich sagen: ich möchte das buch mit keinem anderen tauschen.

Kathrin Schmidt, Schutzumschlagtext

 

Immer wieder,

Gedicht für Gedicht von Neuem ein „Auf-den-ersten-Blick“-sich-Besinnen. Und wie der Schreiber, so könnte auch der Lesende bei diesen Gedichten ein ums andere Mal und immer bei sich selbst beginnen, nach einem Punkt im Raum der eigenen Geschichte fahnden, um die erste Sequenz des Textes nach dorthin zu übertragen.
Denn dann geht sofort die Post ab, manchmal wie E-Mail und manchmal wie Postkutsche. Und dies aus gutem Grund: Denn greift der Blick, die ausgeworfene Schlinge der Perspektive des siebenunddreißigjährigen Marcus Roloff erst einmal auf die persönliche Vergangenheit hinter die „Mauer“ der Zeit zurück, hat er ihn vorab im absoluten Jetzt verankert – und umgekehrt; denn ja, es ist möglich: „zu schauen, als ob…“.
Derart schwingen Sinn- und Sinuskurve seines nervös, aber gleichmäßig schlagenden Herzfrequenzmonitors durch die fünf Ansätze der fünf Kapitel des neuesten Lyrikbandes dieses nun nicht mehr mit dem Antiansteckungswort „jung“ zu bannenden Marcus Roloff – der an der HU Berlin Neuere Deutsche Literatur und Kulturwissenschaft studiert hat und in Frankfurt a. M. lebt –, die da heißen „Von hier aus gesehen & eingeschlossen“, „Viele, viele Grüße“, „dauerlandschaft“, „Draußen die Summe der Teile“ und „Wiepersdorfer Gespräche“. Warum ich sie auserzähle? Weil schon die Überschriften ihn perfekt abbilden, jenen wundersamen Tanz der Flüchtigkeit räumlicher Fixpunkte wie Russen-Denkmal, Löschpapier, Antennenlicht und Aktentasche mit ihren anschmiegsam zeitlichen Partnern wie Endreimstufe, Fließgeschwindigkeit, Dämmrungsraster und Gegenwartsmappe.
Ein Tanz, von dem ich nicht mehr zu sagen wage, ich wüßte noch eindeutig, wer wen über das spiegelblank geschliffene und neu geölte Parkett aus den alten Hölzern Gedächtnis und Erinnerung führt.
Die nicht mehr als sechsunddreißig Gedichte dieses wunderbar kreisschlüssig durchkomponierten Bandes zeigen eine ureigene und dennoch nicht abseits des Generationenchors agierende Stimme, deren vorsichtige Kraft wir unseren lesenden Herzen keinesfalls vorenthalten sollten.

Gutleut Verlag, Ankündigung

 

Steiler Einstieg, viele Klammern, stimmungsvolles Ende

Anthologien stehen bei einigen Menschen im Verdacht, ein Sammelbecken der Masse statt Klasse zu sein; immer wieder die gebetsmühlenartig geäußerte Kritik, Anthologien mit Gedichten oder kurzer Prosa dienten nicht den in ihnen vertretenen Autoren und nur bedingt dem Leser, sondern ausschließlich den herausgebenden Verlagen – lieber 80 veröffentlichte Autoren statt 50, schließlich steht hinter vielen Autorinnen und Autoren eine stolze Mutter, die sämtliche Veröffentlichungen des Nachwuchses sammelt. Einige gehen sogar so weit, Anthologien aus diesem Grund die Daseinsberechtigung abzusprechen. Ich selbst kann diese Ansicht nicht teilen, ganz im Gegenteil. Mir dienen Lyrikanthologien und Literaturzeitschriften seit jeher als Fundgrube für Texte, interessante Autoren und Verlage – mal ganz davon abgesehen, dass Anthologien und Zeitschriften gerade jüngeren Autoren die wichtige Möglichkeit bieten, mit ersten Texten an die Öffentlichkeit zu treten und auf sich aufmerksam zu machen; die Zahl der Autoren, die als erste Veröffentlichung einen vollständigen Lyrikband vorgelegt haben, dürfte übersichtlich sein…
Ein ausgesprochen schönes Fundstück der jüngeren Vergangenheit ist der 2010 im gutleut Verlag erschienene Lyrikband im toten winkel des goldenen schnitts des 1973 in Neubrandenburg geborenen und im Sommer 1989 in den Westen übergesiedelten Autors Marcus Roloff. Es ist dies sein dritter Gedichtband; nach seinem Debüt Herbstkläger (Connewitzer Verlagsbuchhandlung, 1997) und dem 2006 ebenfalls im gutleut Verlag erschienenen gedächtnisformate. Wie schon so oft bin ich über eine der zahlreichen von Axel Kutsch herausgegebenen Lyriksammlungen auf diesen Autor aufmerksam geworden, von dem ich nun erstmals einen ganzen Band in Händen halte. Der eigentliche Körper des Buches ist schlicht, hat eine klare, in hellem Grauton gehaltene Typografie und verzichtet auf jeglichen Firlefanz, aber was ihn umgibt, das kann nur als außergewöhnlich und ansprechend, oder besser: als außergewöhnlich ansprechend bezeichnet werden! Ein vom DIN-Format abweichender, beidseitig bedruckter Plakatumschlag, der außen mit einem Aquarell von Trevor Gould (sechs Köpfe, die wie abgeschlagen in einem Meer aus Milch zu schwimmen scheinen) und innen mit großzügiger Bio- und Bibliografie des Autors und ausführlichen Informationen zur black paperhouse-Reihe aufwartet, in der dieser Gedichtband erscheint.
Die Schlichtheit der inneren Aufmachung sorgt dafür, dass nichts von Roloffs Gedichten ablenkt, und tatsächlich ist Konzentration ebenso notwendig wie geboten, denn Roloff macht es dem Leser nicht (zu) leicht. Die auf fünf kurze Kapitel verteilten Gedichte werfen sich niemandem an den Hals, aber genau wie die eingangs erwähnten Zeitschriften und Anthologien vermag auch im toten winkel des goldenen schnitts als formidable Fundgrube herzuhalten – als eine Fundgrube für stimmungsvolle, an vielen Stellen extrem plastische Bilder, für steile Einstiege und schön gewählte Titel, für Passagen mit phonetischem Wohlklang, für stimmige und gleichzeitig überraschende letzte Zeilen, so wie hier:

aaaaabalcke & heym
aaaaaüberm winter die landschaft durch watte & licht-
schrulle leer. eisiger werder. er wolle den raureif
feiern. wenn er sterbe seien die menschen tot. Wie
stottern sei das nur dass nichts hängen bleibe denn
da werfe man ja die silben in eine art doppelten
boden. die welt klappe nach hinten. aber eigentlich
stottere niemand. das sei nur reminiszenz an die
rememorierte gegend zwischen havel & havel.

Viele schöne, gelungene Szenen, Stills, Schnitte. Nur ein einziger Kritikpunkt: Roloff versieht viele seiner Gedichte mit eingefügten Klammern, die zumeist auf Vorgenanntes Bezug nehmen, es erklären, ergänzen, beziffern. Grundsätzlich habe ich nichts gegen diese Stilistik, gegen Klammern oder Einschübe, ganz im Gegenteil, aber leider neigt Roloff dazu, seine Klammerspiele zu übertreiben, so dass sie an einigen Stellen zur puren, im Grunde unnützen und überflüssigen Stilblüte verkommen. Besonders im Kapitel „WIEPERSDORFER GESPRÄCHE“ wird dies deutlich. Wiepersdorf liegt in Brandenburg, also in Deutschland, und wenn sich dann hinter „mittwoch zwanzig nach acht“ eine Klammer dazu genötigt sieht, ein „a.m.“ hinzuzufügen, dann wirkt das eher gewollt und deplaziert. An einigen Stellen wäre ganz einfach weniger deutlich mehr gewesen, wie z.B. beim Gedicht „waten im verdachtsgelände“:

breitscheid- ecke twachtmannstraße altes rosa
(genossennelke) mitgliedschaften (der anderen)
übersprungene klassen (der anderen) seemanns
garn nach schulschluss (sportplatz) im abgestandenen
schlosspark (blablabla) lagen die bäume auf bänken
parataktische fehlleistung & hyperaktive schübe
suspektes schweigen am vorabend & abgefummelte
briefmarken (-sammlung) oder samstags am glambecker
see (ufer) gab es auch kein erwecken (aufstehn)

Wie gesagt, ein einziger Kritikpunkt (zu dem aber auch ein Lektor ruhig etwas hätte sagen dürfen). Ansonsten ein gut strukturierter, stilistisch homogener Lyrikband von einem Autor, von dem noch Einiges zu lesen sein wird. Auch den Verlag werde ich gewiss im Auge behalten – und wenn es sich ergeben sollte, würde ich mich beizeiten gerne mal mit dem Verfasser des Pressetextes auf ein Getränk zusammensetzen, denn auch das verspräche einen unterhaltsamen Abend!

Stefan Heuer, rezensionen-welt.de, November 2012

Weiterer Beitrag zu diesem Buch:

Lothar Quinkenstein: Der Dichter als Landvermesser (Strippenzieher)
poetenladen.de, 5.1.2012

 

„Ein ganz wunderbarer Ort zum Schreiben“

– Lyriker Marcus Roloff über seinen Aufenthalt in Schloss Wiepersdorf. Im Vordergrund seines Aufenthaltes stehe die Arbeit am neuen Gedichtband, so der 36-jährige Marcus Roloff im Gespräch. Anregungen holt er sich bei früheren Stipendiaten wie Sarah Kirsch, deren Bücher in der hauseigenen Bibliothek stehen. –

Frank Meyer: Marcus Roloff ist zurzeit Stipendiat auf Schloss Wiepersdorf. In unserer Reihe Deutschland, deine Stadtschreiber wollen wir heute Marcus Roloff über das Leben an einem anderen Ort reden. Herr Roloff, das klang eben so in unserem Beitrag, als würden Sie da praktisch hingehören, an diesen Romantikerort Wiepersdorf – ist das denn tatsächlich so ein Traumort für Sie?

Marcus Roloff: Ja, das kann man schon so sagen, also es ist ein wahnsinnig – wie Kathrin Schmidt auch schon sagte – wahnsinnig von der außen, sonstigen Welt abgeschlossener Ort. Es empfängt einen hier natürlich sofort ein Riesenballast auch durchaus von Tradition, und man kann sich natürlich hier in irgendeiner Weise um sein eigenes Schreiben kümmern. Und am Anfang ist es wirklich so wahnsinnig klar und deutlich, dass man hier erst mal aufsaugen kann. Das lässt dann mit der Zeit nach. Aber ich halte das für einen ganz wunderbaren Ort zum Schreiben.

Meyer: Ballast an Tradition, sagen Sie, dazu gehört natürlich die Geschichte dieses Schlosses, der Romantiker Achim von Arnim hat da lange gelebt, seine Frau Bettina hat’s da nicht so gut ausgehalten, die hat sich lieber nach Berlin abgesetzt und hat dort geschrieben. Ist denn von dieser romantischen Tradition tatsächlich noch was spürbar heute in Wiepersdorf?

Roloff: Ja, quasi in Form eines Museums, und insofern ist das natürlich auch wieder so ein Zugriff, was macht man mit Vergangenheit, und man musealisiert sie eben. Und das ist natürlich extrem spürbar, weil zum Beispiel eben der Anbau des Malers Achim von Arnim-Bärwalde, sich ein Atelier hat bauen lassen am Nordflügel und in diesem ist jetzt eben das Museum aufgehoben. Insofern ist das schon wahnsinnig präsent.

Meyer: Dann muss es ja noch eine andere Vergangenheitsschicht geben, stelle ich mir jedenfalls vor. Es wurde schon ganz kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 entschieden, Schloss Wiepersdorf zu einem Dichterheim zu machen. Wir haben vorhin schon gehört, Sarah Kirsch und Peter Hacks waren dort in DDR-Zeiten, Anna Seghers und Arnold Zweig auch. Prägt die DDR-Geschichte denn diesen Ort noch?

Roloff: Na klar schwingt das immer mit, und ich hab mir auch sofort aus der Bibliothek Sarah Kirschs Band Rückenwind ausgeborgt, genauso wie Thomas Rosenlöchers Gedichtband Am Wegrand steht Apollo. Man ist also sofort konfrontiert auch mit Texten, unabhängig von den Arnims, und insofern ist dieses Romantische natürlich auch verquickt mit all dem, was es noch gibt, und da muss man sich erst mal zurechtfinden.

Meyer: Was das Leben in Wiepersdorf noch ausmachen muss, habe ich mir sagen lassen, ist der Dorfkrug von Wiepersdorf. Es gibt einen Schriftsteller, Jürgen Becker, der einen Roman geschrieben hat aus der Geschichte der Trennung, in dem er gerade diesen Dorfkrug von Wiepersdorf eingehend beschrieben hat, er ist also auch in die Literatur schon eingegangen. Wie oft sind Sie denn so im Dorfkrug?

Roloff: Es gibt freitags einen sogenannten Stammtisch, da versammeln sich die Einwohner, in aller Regel männlichen Geschlechts, dort, und da war ich, hatte das Glück, mit Jürgen Becker direkt auch in Kontakt zu kommen und dort hinzugehen und wurde gewissermaßen auch gleich über ihn, der wirklich sehr oft dort war und einen ganz tollen, herzlichen Kontakt auch immer noch hält zu den Wirten und deren Angehörigen, und da bin ich letzten Endes nicht jeden Freitag, aber doch hin und wieder, in jedem Fall. So eine Art Tapetenwechsel wird einem vor allem im weiteren Verlauf des Stipendiums dann auch nötig.

Meyer: Und kommen Sie da mit den Einheimischen tatsächlich ins Gespräch im Dorfkrug?

Roloff
: Absolut, absolut. Also gerade weil ich diesen Aufhänger hatte, diese wahnsinnig tolle Begegnung mit Jürgen Becker selbst, war ich gewissermaßen gleich: Ach so, und Sie sind auch jemand, der so was macht! – also Lyrik in meinem Fall. Und das war von Anfang klar. Das war Mitte Mai, das war gleich am Anfang meines Aufenthaltes, und ich bin da wirklich warm geworden, kann man fast sagen, mit ein paar Leuten natürlich, jetzt nicht in großem Stil, aber eben wirklich ein, zwei Leute, mit denen ich gerne rede, die sehr interessiert sind an dem, was ich tue. Und das ist interessant, wenn man versucht, das eben zu erklären: Ja, Gedichte, das ist ja dann sofort, also im klassischen Sinn ist es dann eben sofort klar, Gereimtes. Man denkt schnell an Heine und große Namen aus der Vergangenheit, und dann sagt man, ja, ich reime nicht, zum Beispiel. Das ist schwierig dann zu vermitteln im Einzelnen, aber in jedem Fall ist es ein Interesse, das mich sehr freut.

Meyer: Aber Sie versuchen das dann, Sie versuchen, den Einheimischen in Wiepersdorf zu erklären, wie moderne Lyrik funktioniert?

Roloff: Nein, das nicht, um Gottes Willen, das würde zu weit gehen, gar nicht im Sinne von Ignoranz, sondern wirklich im Sinne von das würde jetzt wirklich zu weit führen. Es geht dann schnell mit steigendem Bierpegel auch, und es gibt auch noch andere härtere Getränke dazu, werden auch gereicht, geht es schnell in Geschichten über, die Wiepersdorf betreffen, die die angrenzenden Dörfer betreffen. In solche Geschichten mündet so ein Abend eher als in Lyriktheorie.

Meyer: Deutschlandradio Kultur in unserer Reihe Deutschland, deine Stadtschreiber reden wir heute mit dem Lyriker Marcus Roloff über seinen Aufenthalt auf Schloss Wiepersdorf in Südbrandenburg. Marcus Roloff ist für drei Monate dort Stipendiat. Herr Roloff, viele Stadtschreiber, mit denen wir in unserer Reihe reden, die kommen allein an einen fremden Ort, eine fremde Stadt oder so ein Dorf wie Wiepersdorf. Jetzt ist bei Ihnen das Besondere, dass Sie da mit ungefähr zehn anderen Künstlern zusammenstecken in dieser Einöde auf dem Schloss. Entsteht denn daraus etwas, irgendeine Gemeinsamkeit, gemeinsame Gespräche, oder hockt da doch jeder zum größten Teil allein in seiner Künstlerkammer?

Roloff: Wie auch Kathrin Schmidt schon gesagt hatte, ich gehör dann doch zu denjenigen, die gerne die Gesellschaft suchen, insbesondere am Abend. Und es gibt wirklich tolle Begegnungen, eben nicht zuletzt Kathrin Schmidt selbst. Aber auch auf einen Stipendiaten muss ich wirklich hinweisen, weil es nämlich sehr produktiv geworden ist, das ist der Berliner Komponist Peter Köszeghy, der mich auf die Callot-Figuren aufmerksam gemacht hat, die es hier gibt.

Meyer: Was sind das für Figuren?

Roloff: Das geht auf Jacques Callot zurück, den französischen Stecher, also Kupferstecher, und Radierer. Diese Figuren sind dann 100 Jahre nach seinem Tod erst, also dann quasi Ende des 18. Jahrhunderts, zur Plastik geworden, und damit hat man gewissermaßen Herrenhäuser, Schlösser und so weiter geschmückt. Und das sind so etwas merkwürdige Figuren, die wirklich auch was Unheimliches haben. Und der Peter und ich, wir haben uns eben was überlegt dazu, ich hab Texte geschrieben und er hat es vertont. Wir haben es dann uraufgeführt hier auf dem Sommerfest, das war ein Solostück für Querflöte. Und wir wollen noch mehr draus machen, wir arbeiten weiter zusammen an dem Thema Dämonie, Gnome, die ne bestimmte Kraft haben, die man nicht genau zuordnen kann, und fantasieren uns da so ein bisschen was zurecht. Das ist sehr interessant.

Meyer: Und über diese Arbeit an diesen Callot-Figuren hinaus, was machen Sie da noch in diesen drei Monaten in Wiepersdorf? Entsteht da etwas, was Sie auch mitnehmen von dort?

Roloff: Unbedingt. Ich arbeite ganz konkret an meinem neuen Gedichtband, der, wenn alles klappen sollte, im Herbst nächsten Jahres erscheinen wird, und das ist Priorität. Daneben habe ich einen Wiepersdorf-Zyklus auch gemacht, von 20 Gedichten hab ich dann fünf gewissermaßen, wenn man so will, gelten lassen. Und insofern ganz klar: strenge Arbeit am Gedicht, viel Lektüre, reger Austausch mit den Stipendiaten. Es gibt hier auch ein Extrafach von Büchern mit Stipendiaten, und da habe ich mir auch das eine oder andere ausgeliehen. Insofern also wirklich eine tägliche Arbeit am Text, es hat immer mit Literatur zu tun, weil es gibt einfach auch nichts anderes. Es gibt hier natürlich einen Fernseher, aber das ist für mich ein Tabu zum Beispiel tagsüber. Gegen Abend komme ich dann gerne in geselligere Gefilde und auch Stimmungen. Insofern aber Arbeit am Text.

Meyer: Marcus Roloff, drei Monate Stipendiat auf Schloss Wiepersdorf in Südbrandenburg. Danke Ihnen für das Gespräch!

Roloff: Ich danke Ihnen!

Deutschlandfunk Kultur, 21.7.2009

 

Michael Braun: Mein nicht geschnittener Blick. Die Wortlichtspiele des Dichters Marcus Roloff

Marcus Roloff liest bei HAM.LIT 5

 

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Marcus Roloff – Trailer zu den Frankfurter Lyriktagen 2015.

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