Eugen Gomringer: Zu Eugen Gomringers Konstellation „ping pong“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Eugen Gomringers Konstellation „ping pong“ aus Eugen Gomringer: KONSTELLATIONEN. –

 

 

 

 

EUGEN GOMRINGER

ping pong
aaaaping pong ping
aaaapong ping pong
aaaaaaaaaaaaaping pong

 

ping pong

ist dies ein gedicht? es stammt aus der studienzeit an der universität bern und gleichzeitig meiner bekanntschaft mit den jungen künstlern und grafikern, die gegen ende der 40er jahre die neu erwachsende szene aus kunst und kultur formten. vorbilder entnahmen wir meist der zeitung. die gegenwart sollte erst noch aufgebaut werden. die grafiker marcel wyss und dieter roth waren sich grundsätzlich einig in der ästhetischen gestaltung. sie sollte sich aus der reinheit und der guten form entfalten. ich war in jenen jahren sehr beeindruckt von einer vorlesung von fritz strich, auf den schon ein beitrag im tagebuch von paul klee aufmerksam gemacht hatte. strich behandelte sehr einfühlsam den übergang vom realismus zum symbolismus, eine vorlesung, die ich genau aufzeichnete. daneben war ich hörer einer vorlesung über die psychologie von c.f. meyer. im jahr 1978 war ich nach bern zurück gekommen von einem halbjährigen aufenthalt in rom, das mich schon während der kriegsjahre mächtig angezogen hatte. nach einigen beiträgen über meine reisen im „bund“ wurde ich in der chefredaktion von dr. arnold schwengeler, selber dramatiker, praktikant und lernte das journalistische handwerk. sehr beachtet wurden meine filmkritiken und erste kunstkritische besprechungen. damit passte ich in das umfeld der grafischen freunde. dass daraus 1953 die gründung der zeitschrift spirale wurde, darüber wird schon andernorts berichtet.
es war in diesem klima, dass auch sprachliche änderungen, neue gedichte, die da und dort in die szene eindrangen, diskutiert wurden. als ich einmal das wort ,schnee‘ zeile um zeile eine ganze seite lang aufgeschrieben hatte – es musste auch viel schnee gefallen sein – war dies eine art auslöser zu neuem schreiben. es ging um worte. es wird wohl sein, dass in diesem zusammenhang ein PING PONG entstand, zunächst also als beiwerk. erst jahre später, als ich bereits auf kritik antworten musste, wurde ich auf den kommunikativen sinn der beiden worte, silben, aufmerksam. auch dass damit gegen den herrschenden dadaismus ein neues emblem entstanden war, wurde erst langsam bewusst. während dada durch die wiederholung eine egoistische bestätigung ausdrückte, waren die zwei wörter wie frage und antwort – dies haben sie in der folge hundertfach bestätigt. PING PONG war das spiel am grünen tisch, ein herausfordern zum antworten. die beiden grundvokale „i“ und „o“ sind zudem wie männliche und weibliche symbole aufzufassen. überdies wird PING PONG ohne jede erklärung auf der ganzen welt verstanden. als wir drei in bern 1953 uns zur gründung der edition und zeitschrift einigten, wurde als erste publikation meine gedichtsammlung KONSTELLATIONEN in polyglotter Schreibweise englisch, französisch, spanisch und deutsch herausgegeben. in dieser sammlung war natürlich auch „ping pong“ aufgenommen worden. die konstellationen waren also zwischen 1950 und 1952 entstanden und wurden 1953 zum ersten mal publiziert.
damit aus den beiden wörtern ein richtiger seh- und hörtext entstehen konnte, schrieb ich „ping pong“ auch für das lesende auge und für die sprache so auf, wie es spielerisch verstanden wird. es beginnt mit „ping pong“ und endet nach zwei ballwechseln wieder mit „ping pong“.
nicht zum ersten mal, aber selten wie nie überzeugend, wurde das „ping pong“ 1999 in südkorea beweiskräftig inszeniert. wir waren, meine frau nortrud gomringer und ich, zu vorlesungen an universitäten und zu unterrichtsstunden an schulen eingeladen. als sich meine frau einmal einer unbekannten schülerschar vorstellen musste, nutzte sie als begrüssung ein lautes „ping“. die antwort erschallte fast unisono: „pong“, und so war die begegnung prächtig in gang gesetzt.

Eugen Gomringer, aus Eugen Gomringer: poema. Gedichte und Essays, Nimbus, 2018

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