EIN WORT
Ein Wort, ein Satz −: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.
Ein Wort – ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich −
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.
GOTTFRIED BENN HEUTE
Das ist eine Frage, das ist keine Feststellung in Form einer Festrede. Denn wer von uns weiß schon, wo wir heute stehen. Die Maßstablosigkeit mag unser Unglück sein, aber die Ehrlichkeit, mit der wir uns das Fehlen aller Normen und Maßstäbe eingestehen, ist auch unser Gewinn. Ich denke an den heutigen Stand der Literatur, wenn ich so spreche, an den Standpunkt ehrlicher Reduktion. Denn ich kann Literatur nur mit Literatur vergleichen und auch da nur auf einigermaßen adäquaten Ebenen abwägen, ich kann Gottfried Benn nicht in Verhältnis setzen zu ökonomischen oder politischen Fakten des Jahres 1982. Das wäre wieder der alte Fehler, alles durcheinanderzuwerfen, die Börsenkurse, die Kriegserklärungen, das Bruttosozialprodukt, die statistischen Zahlen des Arbeits- und Wohnungsmarktes. Und dieses Mixtum compositum dann als Schablone auf die literarische Textur halten und sagen: es paßt oder es paßt nicht. Wenn wir so fragen: Gottfried Benn heute – dann fragen wir literarisch im spezifischen Sinne dieser Bewußtseinsliteratur mit ihrer Basis aus existentiellen Protokollen.
Was geht uns das noch an? Wie geht es uns an – wenn es uns überhaupt noch angeht. Wenn ich ganz aufrichtig bin, muß ich fragen: was geht es mich an? Das Gedicht beispielsweise – wenn es mich anspricht. Vielleicht nur mit einer Zeile, mit einer Metapher, die mich anstößt, mit einem Bild, das mich trifft. Denn literarisch kann ich nur von mir selbst sprechen. Das hängt zusammen mit den fehlenden Normen, die selbst den Restauratoren nicht mehr verbal zur Hand sind. Auch als Hochschullehrer verfüge ich axiologisch nicht über Normen. Wer das tut in meiner Lage, bezieht die Maximen seines Urteilens ganz sicher aus den Lagerhallen irgendeiner Weltanschauung. Das heißt nicht, es ermangele der Zunft an Rüstzeug, Regeln, historischem Überblick. Ganz im Gegenteil, die Methoden der Literaturwissenschaft waren noch nie so vielfältig und raffiniert, wie sie das heute sind. Nur handelt es sich dabei um quantifizierte Kategorien, um aufklärerische Begriffsformen, Erkenntniskategorien also, die verdinglicht dastehen ohne Identität mit idealiter gesetzten Seinskategorien. Gerade letztere haben wir nicht zur Hand – nicht mehr. Es hieße, mit gezinkten Karten spielen, wenn wir mit Sein oder Wesen oder Substanz kategorial operieren würden. Hier liegt die Schwierigkeit. Denn die Dichtung Gottfried Benns basiert insgesamt auf den Vorstellungen eines Idealismus, der für uns historisch geworden ist. Benn war der letzte poetische Botschafter jenes metaphysischen Reiches, dessen Gründung einerseits Platon zuzuschreiben ist, dessen Wurzeln andererseits im Alten Testament stecken. Christlich ist die Tradition allemal, kein Wunder bei der Herkunft aus dem Pfarrhaus über Generationen hin. Der Wahlspruch dieses gottverlassenen Mannes mit eingefleischter Gottesfurcht lautete, uneingeschränkt durch die Jahrzehnte seines Schaffens: „Fanatismus zur Transcendenz“.
Wie verhalten wir uns einem poetischen Bewußtsein gegenüber, das notorisch behauptet, wertkategorial gäbe es nur den reinen absoluten Geist als Maßstab, alles andere sei Bruch? Diese Botschaft durchzieht mit gehämmerten Thesen das Werk. Gemessen an der Ausschließlichkeit spiritueller Setzung sei die Geschichte bankrott. Die westliche Zivilisation sei wertlos, seit sie der materiellen Steuerung verfiel, seit sie verlassen ist von Idealität und Transzendenz. Die empirische Wirklichkeit sei ohne sinngebende Instanz, nackte Tatsächlichkeit, ohne Mythos, ohne Religion, ohne einheitstiftende Substanz. Nur der Künstler bewahre noch in platonischer Urerinnerung das Wissen einer tieferen Verbindlichkeit, der Verbundenheit mit ideellen Kräften, die sich der Geschichte des Menschen jedoch für immer entzogen haben. Botschaften bedürfen der Wiederholung, und so wiederholt sich durch die Jahrzehnte in diesem Werk das von Nietzsche übernommene „Artistenevangelium“, die Kunst sei die einzige und letzte metaphysische Tätigkeit innerhalb des abendländischen Wertzerfalls. Der Künstler sei der einzige, der wertend mit den Dingen dieser Welt noch fertig werde. Dieser apodiktischen Formel also stehen wir heute gegenüber, konsterniert zumindest, wenn nicht ablehnend. Was fangen wir damit an?
Natürlich können wir einfach konstatieren, philologisch manifestieren: das war einmal, also historisieren. Natürlich können wir, wenn wir noch können, mit Illusionen arbeiten, wie das die Generationen vor uns mit Goethe gemacht haben, einfach so tun, als ob alles noch sei wie früher. Einfach aneinander kneten, Goethe und Hölderlin und Rilke und Benn. Aber welchen Dienst würden wir uns damit erweisen? Oder wir können zur Vernichtung schreiten, weil wir selbst nicht weiter wissen, weil wir kaputt sind, wie man so sagt. Dann schießen wir mit den Geschützen des Anarchismus in den Scherbenhaufen der Geschichte. Oder wir nehmen die Tradition ernst und begreifen dadurch vielleicht, wo wir heute stehen. Ohne Illusionen, aber nicht hoffnungslos. Mit der Feststellung des Verlustes hängt ja notwendig die Frage nach dem Verbleib einer Sache zusammen. Also, wir können weder sagen, das gibt es noch, das müssen wir schützen und wieder aufleben lassen, noch sollten wir sagen: das ist alles passé, das berührt uns nicht mehr. Vielmehr ist zu fragen, wo kam das eigentlich her, was hat das bedeutet, welchen historischen Wandlungen war dieser „absolute Geist“ unterworfen, bis er sich in unserem Jahrhundert endgültig relativierte und verflüchtigte?
Dann lesen wir erneut die Essays, die Prosa, manche der Gedichte Benns und stehen mit unserer Frage kompromittiert da. Das Werk duldet keine Versöhnung – abgesehen von einigen Versen, und darauf komme ich noch zu sprechen. Vorerst spreche ich vom Anspruch, von der Unerbittlichkeit, mit der in diesem Werk die antinomischen Thesen vertreten werden: „wer Leben sagt, ist schon gerichtet“ – das ist der Kernsatz des Prosastücks „Weinhaus Wolf“, in dem die poetischen Maximen sich zentrieren. Ich verweise auf die Qualität dieser kompromißlosen Prosa, die in aller Kürze die Antithese bündelt. Und ich zitiere daraus, um den Tonfall zu vermitteln:
Ich sah im Weinhaus einen Traum. Ein sehr ruhiger Tierwärter führte menschliche Lebewesen weißer Hautfarbe im Kreise herum, bis sie sich verfärbten. Dann sperrte er ihnen das Gebiß auf und schrie: Geist oder Leben – Verwirklichung von Geist im Leben ist nicht mehr.
Mit der weißen Rasse sei es zu Ende, mit ihren Genuß- und Machtansprüchen, mit ihrer Ausbeutung. „Was berechtigte diese Völker, die Übrigen zu leiten? Das war es, was ich mich fragte, was in dieser Richtung wiesen sie vor?“ Und die Antwort lautet: nichts weisen sie vor, das substantiell diese Berechtigung absichern könnte. Materialismus und Utilitarismus als zivilisatorische Anmaßung werden zum Selbstgericht. Seit der Geist das Leben verlassen hat, blieb enthumanisierte Geschichte als brutales Instrumentarium zurück, faktizitär ausgerichtet auf Handeln, Machtakkumulation, abgesichert durch Mord.
Handeln ist Kapitalismus, Rüstungsindustrie, Malplaquet – Borodino – Port Arthur −: 150.000 Tote, 200.000 Tote, 250.000 Tote – niemand kann die Geschichte mehr anders sehen denn als die Begründung von Massenmorden: Raub und Verklärung −: der Mechanismus der Macht.
Geschrieben von Benn vor dem Zweiten Weltkrieg, der dann über fünfzig Millionen Tote brachte, gerichtet gegen den Nationalsozialismus, geschrieben in den Jahren 1935-38 an den Briefpartner Dr. Oelze, dem er 1938 (im Mai) bei Übersendung des Manuskriptes von „Weinhaus Wolf“ schreibt: „Eigentlich ist es nur eine Zusammenstellung unserer Briefe, an der Sie ebenso beteiligt sind wie ich.“
Das besagt, neben der Konzilianz, daß Benn keine Tagesmeinung vertritt, sondern gründlich erwogene Thesen, die ihm die Geschichtssituation aufzwingt. Und er bleibt dabei. 1946 formuliert er mit sarkastischer Schärfe noch einmal sein vernichtendes Urteil von Geschichte:
Jeder aber weiss, sie ist reiner Mord u. Totschlag von jeher u. in aeternum u. es hat gar keinen Sinn, sie mit moralischen u. intellectuellen Vokabeln zu verzieren. Man höre endlich mit dieser Geschichts„philosophie“ auf, diesem unsauberen Feigenblatt vor dem filzläusebepackten Unterleib des Pithekanthropos. (An Oelze, 31.8.1946)
Dagegen also setzte Benn sein „Artistenevangelium“, den Mythos vom Geist und der „Gestaltungssphäre“, und er scheute sich nicht, die Menschen typologisch einzuteilen in Verbrecher und Mönche: „einmal der Handelnde und einmal der Tiefe, einmal das Leben und einmal der Geist.“ Dieser vertrete eine „außermenschliche Wahrheit“ – und wiederum fragen wir uns heute, verwunderter denn je, was das sei. Schauen wir genauer hin, entdecken wir den Geist der Genesis, der über den Wassern schwebt. Denn so heißt es im ersten Buch Moses:
Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. – Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht.
Das ist der Schöpfungsmythos, der von Benn noch einmal aufgegriffen und ins Artistische transformiert wird. Denn wieder ist die Erde wüst und leer, nur der Geist der Kunst schwebt über den Wassern. Und so heißt es in „Weinhaus Wolf“, der Geist der Kunst, die artistische Form sei „Neusetzung aus menschlichem Gesetz, jenem anthropologischen Prinzip, das die Wasser von der Feste schied und die Propheten von den Narren“. Das also ist die „außermenschliche Wahrheit“, die formale Wahrheit der Kunst am Ende eines langen Geschichtsweges. Der Geist hat sich zurückgezogen aus der Schöpfung, ein Mythos ist endgültig zu Ende; das nennt Benn die finale Lage. „Es gibt keine Verwirklichung. Der Geist liegt schweigend über den Wassern. Ein Weg ist ausgegangen, ein Urtag sinkt, vielleicht barg er andere Möglichkeiten als diese Abendstunde, aber nun ist sie da – ecce homo – so endet der Mensch.“
Das ist der vielbesprochene Geschichtspessimismus Benns, ein Fazit der Perspektiven, die zurückreichen quer durch die Geschichte des Geistes bis zu seinem mythischen Anfang. Dahinter steht die Enttäuschung, daß von allen Versprechungen der Geschichte nichts einzulösen war. „Man hat uns belogen und betrogen / Mit Gotteskindschaft, Sinn und Zweck.“ („Alaska II“) Das ist der Aufstand der frühen Lyrik, die zerfetzende Widerständigkeit gegen jeden Illusionismus. Das ist die radikale Feststellung vom Bankrott der Geschichte. Das sieht dem heutigen Widerstand zum Verwechseln ähnlich und hat doch eine andere Wurzel. Sie reicht geschichtsphilosophisch in Grundschichten des religiösen Mythos. Hier soll nicht Gesellschaft sozial verändert werden, weil ihre Struktur korrupt ist, hier wird Gesellschaft in toto abgelehnt und abgeurteilt, weil sie Verrat begangen hat, abgefallen ist von ihrem einstigen Sinnanspruch in Mythen und Religionen.
Die Realitätsentscheidung im Sinne der empirischen Wissenschaften war der Fehltritt; die allgemeine Erfahrbarkeit der Verhältnisse als Massstab der Wirklichkeit zu fordern u. zu lehren, war der Schritt vom Wege, durch den sich die primäre mythische Wirklichkeit verlor. (An Oelze, 22.3.1947)
Gesellschaft also in ihren alltäglichen Vollzügen, Arbeitsbedingungen, Verwaltungsprozessen, Politik, Psychologie, Wissenschaft – alles das ist Abfall, abgefallen als krude Materialität vom Ens realissimum, abgestürzt in dunkle Verdammnis. Das ist prinzipiell gedacht, da gibt es kein Zurück, in dieser Schöpfung ist auf Ewigkeit das Licht verlöscht. Betrachten wir es kritisch: der reine Geist triumphiert als metaphysiche Entität auch nur final im Kunstwerk, haust dort in völliger Isolation, verurteilt zu praktischer Untätigkeit. Der Bezug zwischen Geist und Leben ist definitiv und unwiderruflich abgerissen, es sind zwei Wirklichkeiten, hier das Ideal und dort das Leben.
Und das genau ist die Stelle, an der wir fragend noch einmal anzusetzen haben. Was nützt uns eine solche Sicht, was nützt uns der Geist, wenn er das Leben ablehnt, ja verachtet? Zu fragen ist nach Wert oder Unwert des Idealismus. In einer materialistischen Zeit, der dieses Wort als Wort schon verdächtig ist. Da hilft auch kein Hinweis auf Benns provozierenden Stil, den er bewußt einsetzte, um dem Gedanken Kontur zu verschaffen. „Diese Absolutheit!“ schreibt er in einem Brief. „Aber wie soll man seine Substanz vortreiben in geistige Begriffe, wenn nicht durch Übertreibung?“ (An Oelze, 3.11.1940) Nur durch Überzeichnung und Hartnäckigkeit der Wiederholung gewinnen die extremen Positionen an Gewicht. Aber wenn wir sie abbauen, diese Provokation – ist dann das Urteil milder? Sanfter, wie manche Verse es sind? Täuschen wir uns nicht, auf einen fidelen Humanismus läuft das nicht hinaus. Abbau bedeutet hier nicht, die provokanten Schichten abzuräumen, sondern zu fragen, warum sie aufgetragen wurden. Nehmen wir die frühe Lyrik, die auch heute noch vielen Lesern Schwierigkeiten macht, wo steckt denn hier die Idealität, ist das nicht frecher Nihilismus, rüde Pöbelei? „Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch…“ Was soll das, fragte damals das humanistische Bewußtsein empört, stecken wir nicht ohnehin schon tief genug in der Krise? Muß man uns die letzten Werte denn auch noch nehmen?
Nein, brüllt der Dichter, da ist nichts mehr zu nehmen, das habt ihr alles schon ruiniert, da ist nichts mehr zu holen, mit euren Redensarten habt ihr das Heiligste brauchbar gemacht für den Alltagsbetrieb! „Gott / Als Käseglocke auf die Scham gestülpt…“ Die Metaphysik ist kaputt, das bürgerliche Wertsystem vermittelt nur noch Pseudosinn. Gerade das Wertvollste wurde vernichtet im Verschleißprozeß der Redensarten.
Ich brülle: Geist enthülle dich!
Das Hirn verwest genau so wie der Arsch!
(„Fleisch“)
Hier in dieser Lyrik ist alles Protest. Über die Gesellschaftattacke hinaus Auflehnung gegen Verfall und Sterblichkeit, bittere Konstatierung menschlichen Elends, das zugleich ein physisches und metaphysisches ist. So gehen Mann und Frau durch die Krebsbaracke. Der Mann hat kein Mitleid, sagte die kulturverbindliche Kritik seinerzeit. Und in der Tat, ein trotzig versagtes Mitleiden steht hinter dieser frühen Lyrik, aber nicht dem anderen versagt, dem sogenannten Mitmenschen, sondern sich selbst versagt als poetische Stilblüte – die als Wucherung die Literatur der Zeit damals durchzog.
Ihr sprecht von Seele – Was ist eure Seele?
Verkackt die Greisin Nacht für Nacht ihr Bett
(„Der Arzt“)
Gottfried Benn heute? Was unterscheidet uns von 1912? Wir sind nicht mehr geschockt, wir sind abgehärtet. Verstehen wir noch die Spannung, die das Wort „Seele“ in dem Psychiater und späteren Haut- und Geschlechtsarzt Gottfried Benn erzeugte?
O Seele, futsch die Apanage
Baal-Betlehem der letzte Ship,
hau ab zur Augiasgarage,
friß Saures, hoch der Drogenflipp –
(„Innerlich“)
Das wirft heute niemanden mehr um. Aber damals schrieb Carl Sternheim, selber antibürgerlicher Provokateur: „Benn ist der wahrhaft Aufständische. Aus den Atomen heraus, nicht an der Oberfläche revoltiert er, erschüttert Begriffe von innen her, daß Sprache wankt und Bürger platt auf Bauch und Nase liegen.“ Die Kritik reagierte bürgerlich, schon 1912 bei Erscheinen der Morgue war das Urteil überwiegend Empörung: scheußlich, ekelhaft, pervers, stinkende Ware, eines Lyrikkritikers unwürdig! („Ich überlasse diesen interessanten Fall den Psychiatern.“ Hans Friedrich) Das war 1912 spontan die Antwort auf den ersten Avantgardevorstoß in der deutschen Lyrik. Bald war vieles nachhahmbar geworden. Aber Benn war der erste gewesen, der radikal zu neuen Themen griff – das hatte Ernst Stadler in seiner Rezension der Morgue sogleich erkannt.
Mit einer unheimlichen Schärfe und Sachlichkeit läßt Benn den Vorgang aufleben, erst mit ein paar Meisterstrichen die Situation andeutend, dann in Rede und Gegenrede überspringend, ohne alles Sentiment, fast brutal, als handele es sich um nichts als einen nackten ärztlichen Operationsbericht… Gefühl ist hier ganz Gegenstand geworden, Realität, Tatsachenwucht. (1912)
Der Mann:
Hier diese Reihe sind zerfressene Schöße
und diese Reihe ist zerfallene Brust.
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh: dieser Klumpen Fett und faule Säfte
das war einst irgendeinem Manne groß
und hieß auch Rausch und Heimat.
(„Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke“)
Schärfer als in jeder vergleichbaren Lyrik der Zeit kommt bei Benn der Kampf zum Austrag, den Materie und Geist sich liefern. Einerseits das Gnadenlose der Natur, andererseits die Hoffnungslosigkeit des Geistes, der auf dieser Erde kein Unterkommen findet. Hier also rennt jemand mit der Stirn gegen die Wirklichkeit an, will und kann sich nicht abfinden mit den Bedingungen unserer materiell determinierten Welt. Mit den Aufschreiern, Anklägern und Wehklagern des plakativen Expressionismus hat dieser sezierende Expressionist nichts zu tun. Weder ruft er Gott noch die Menschheit an, vielmehr arbeitet seine Sprache kontrastiv, durchleuchtet unerbittlich den Widerspruch von Geist und Leben, torpediert Lügen und Illusionen, jagt billige Täuschungen in die Luft. Und wo siedeln diese – neben den Weltanschauungen – üppiger als auf dem Nährboden der Libido?
Das alte Liebesgedicht war schon bei Heine in den parodistischen Papierwolf geraten, aber das Weib als psychologisches Massiv war dann in den Männerphantasien der Jahrhundertwende aufgestiegen, gerade auch tiefenpsychologisch, Strindberg, Ibsen, Wedekind, Schnitzler, Dehmel, Munch – insgesamt in den Künsten. Auch hier setzte Benn zur Vernichtung an, auch dieses Thema wird hineingezogen in den infernalischen Strudel idealistischer Demontage. Die „Schöne Jugend“ aus der Morgue ist nur der kühle Auftakt dieser „Syphilisquadrille“ („Ball“) und „Geschlechtszersetzungen“ („Notturno“). Hier findet nichts mehr zueinander, was im Liebesgedicht bis dato zueinanderfand. Trieb und Seele sind auseinandergedriftet, haben nichts mehr miteinander zu tun. Eros und Schönheit sind aus ihrer traditionellen Koppelung herausgefallen. Die Divergenz mußte dem Leser seinerzeit um so schauriger erscheinen, wenn er zurückblickte auf die trivialromantische Liebeslyrik, auf die Schlagersentimentalität, die auch das 19. Jahrhundert schon durchzog. Geibel war der Lieblingsdichter wilhelminischer Gesangsvereinsmentalität; das Volkslied, das keines mehr war, rührte den falschen Nerv:
Schön ist die Jugend bei frohen Zeiten,
schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr!
(…)
Vergangne Zeiten komm’n niemals wieder,
verschwunden ist das junge Blut.
Drum sag ich’s noch einmal: Schön sind die Jugendjahr;
schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr.
Und so weiter. Benns „Schöne Jugend“ setzte hier Kontrafaktur, auch gegen Geibels „O Jugendzeit, du grüner Wald, / Darin der Liebe Röslein blüht…“ Benn zerfetzte den verlogenen Gemütshaushalt des deutschen Stimmungsbürgers, räumte die Nischen aus, in die sich der Bildungsbürger salviert hatte.
Der Mund eines Mädchens, das lange im Schilf gelegen hatte,
sah so angeknabbert aus.
Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig.
Schließlich in einer Laube unter dem Zwerchfell
fand man ein Nest von jungen Ratten.
Ein kleines Schwesterchen lag tot.
Die anderen lebten von Leber und Niere,
tranken das kalte Blut und hatten
hier eine schöne Jugend verlebt.
Und schön und schnell kam auch ihr Tod:
Man warf sie allesamt ins Wasser.
Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschten!
(„Schöne Jugend“)
Die schöne Jugend der Ratten. Damit war das Antithema auf dem Tisch. Variiert und durchgeführt im weiteren Verlauf der Lyrik als Spaltungsvorgang der Erotik im Sinne jener zerebral konstatierten Antinomie von Geist und Leben. Brünstige Lust entfaltet sich jetzt lyrisch ohne kultureIIe Hemmung, wenn nicht Krankheit und Fäulnis dem brutalen Akt zuvorgekommen sind. Auch hier ist der Kahlschlag funktional – wie in der gesamten frühen Lyrik: er dient der Befreiung. Das psychologische Tropenklima, die erotische Treibhausluft der vorausgehenden Zeit sind vertrieben.
Was bleibt? Für Benn der Rückzug. Die Illusionen, die er zertrümmerte, sollten nicht ersatzlos gestrichen werden. An ihre Stelle traten die psychosomatischen Tiefenerfahrungen, gespeist und gesteuert vom Stammhirn. Vorstellungen, die wir heute mit Distanz sehen: als ob in uns die Wahrheit eingeschlossen sei als vorzeitliche Urerfahrung, eine Art Magma, ummantelt von späteren Hirnschichten, der Rinde. Woher die Theorien kamen seinerzeit, wissen wir, sie wurden von Benn amalgamiert, nicht übernommen. Die Spekulationen des Paläontologen Edgar Dacqué, dargestellt in Eugen Georgs Buch Verschollene Kulturen, der rauschhafte Rückblick auf eine millionenjährige Menschheitsgeschichte. Dacqués Intuitionslehre, die Wesensschau als mystische Partizipation, Teilhabe an mythischen Erlebnisformen, der Einstieg in Zeittiefen kosmogonischer Art, die Verlegung der Phantasiewurzel ins Altmesozoikum oder Spätpaläozoikum, wobei es auf hundert Millionen Jahre nicht ankommt, Urkulturen werden in diesen Zeiträumen angesiedelt, sie sind untergegangen durch Mondsturz und Gürtelfluten, das sagenhafte Atlantis etwa, der Urmensch mit dem „Scheitelauge, das die Natursichtigkeit verlieh, das magische Gefühl, die Telepathie und Telekinese, mit der sie ihre schwerelos gemachten Riesenquadern über Berge und durch Fluten zu gigantischen Tempeln mühelos bewegten“ („Der Aufbau der Persönlichkeit“) – derartig Sätze Benns verraten schon die Schwärmereien, die keine kritischen Auseinandersetzung standhalten, schon gar nicht seine Großhirntheorie als hominide Endphase des Quartär Das alles ist uns doch zu märchenhaft, vor allem, wenn es kombiniert wird mit C.G. Jungs Archetypen, dem kollektiven Unbewußten, dem vorzeitlichen Phantasiegrund aus Urerfahrung und prähistorischen Mustern, den Urbildern, wenn es versetzt ist mit Erich Ungers mythischen Realitäten als Basis unserer erlebten Wirklichkeit („Wirklichkeit, Mythos, Erkenntnis“), dieser Theorie des natürlichen Wunders, die sich richtet gegen Aufklärung und wissenschaftliche Empirie. Hier gründet Benns These von der „Zusammenhangsdurchstoßung“ und „Wirklichkeitszertrümmerung“, die er immer erneut wiederholte, vorwiegend in seinen frühen Essays, allerdings auch poetisch schon umsetzte in seiner expressionistischen Prosa – über zehn Jahre vor der Lektüre der genannten Mythologiker und Urweltschamanen.
Die ekstatische Lehre, die „Wallungstheorie“, die „hyperämische Theorie des Dichterischem“ kulminiert um 1930, etwa im Essay „Zur Problematik des Dichterischen“: „wer halluziniert, erblickt das Reale… Das archaisch erweiterte, hyperämisch sich entladende Ich, dem scheint das Dichterische ganz verbunden.“ Das ist das Thema der halluzinativen Steigerung, des Rausches, der Rückkehr zu prälogischen Urformen des Erlebens. Es durchzieht diagonal das gesamte Werk, erst im letzten Jahrzehnt wird es eingedämmt. Atemberaubende Kapriolen des Denkens, sie trieben Benn in die Arme des Nationalsozialismus, mythologisch gesteuert, nicht opportunistisch, sie fundieren aber zugleich seine poetische Theorie, und dieses Fundament ist gegossen aus einem „Fanatismus zur Transcendenz“. Ich gestehe, beim Wiederlesen und Bedenken dieser Theorien wankte mir der Kopf. Zu sagen, das alles sei historisch geworden, ist dann allerdings doch zu einfach – zu fragen wäre nach den Gründen. Das Phänomen des Archaischen, der Hinwendung zum Primitiven als Griff zu den Urformen war in der Literatur wie in der Malerei einmal so zeittypisch wie das Moment des Spirituellen. Zur mythologischen Archäologie des Geistes kamen hinzu noch der Platonismus, der Neuplatonismus, die Erbteile eines zerriebenen Christentums, das den Materialismus des 19. Jahrhunderts nur als Inversion noch überstehen konnte. Nach der Jahrhundertwende traten in den Künsten die so verinnerten Kräfte zum gesammelten Angriff an. Wie Benn das immer wiederholte: gegen Nützlichkeitswahn, Wissenschaftspositivismus, merkantile Abhängigkeit, politische Normenverhärtung, Naturalismus, Fortschrittsoptimismus, Kapitalismus, Brutalegoismus, gegen die Borniertheit der gesellschaftlichen Führungsspitze insgesamt. Dagegen helfe nur der Ausstieg, der radikale Weg nach innen. Das hört sich zeitgemäß an für unsere Ohren, ist aber anders gemeint. Dem isolierten Ich, das sich nach außen abgrenzt, eröffnet sich der innere Freiraum der Träume. Es lebt von den provozierten Bilderfluten einer poetisch geschaffenen Wirklichkeit. Und diese Wirklichkeit ist transzendenter Art. Da steckt der Unterschied zu heutigen Ausstiegstendenzen: das artistische Ethos. Die Kunst als die eigentliche Aufgabe des Lebens, die Kunst als dessen metaphysische Tätigkeit. Die Evakuierung des Geistes hat stattgefunden, aber in labyrinthischen Katakomben treibt er sein produktives Spiel.
die Dinge lagern in stummen
Gewölben aus Substanz,
(„Erst wenn“)
Die Innenwelt, exotisch ausgestattet, ein Arsenal geographischer, historischer, mythischer Versatzstücke, wurde zur Werkstatt des Künstlers. Der ekstatische Weg nach innen ist irreversibel, bedeutet Einstieg in das eigene Ich, Abstieg in den Erlebnisgrund, Begegnung mit sich selbst. Das sind die Themen, die sich wiederholen: immer wieder der Mythos des Leidenden, des Künstlers, dessen, der sich selbst ans Kreuz schlägt, einem inneren Gesetz zufolge: „Er folgt einer inneren Stimme, die niemand hört. Er weiß nicht, woher diese Stimme kommt, nicht, was sie schließlich sagen will.“ – „Gespräche, Diskussionen – es ist alles nur Sesselgemurmel, nichtswürdiges Vorwölben privater Reizzustände, in der Tiefe ist ruhelos das Andere, das uns machte, das wir aber nicht sehen. Die ganze Menschheit zehrt von einigen Selbstbegegnungen, aber wer begegnet sich selbst? Nur wenige und dann allein.“ („Probleme der Lyrik“)
es gibt nur ein Begegnen: im Gedichte
die Dinge mystisch bannen durch das Wort.
(„Gedichte“)
Wenn je die Gottheit, tief und unerkenntlich,
in einem Wesen auferstand und sprach,
so sind es Verse, da unendlich
in ihnen sich die Qual der Herzen brach;
(„Verse“)
Das ist der produktive, der poetische Widerstand, und wir sollten uns fragen, was ein Gedicht leistet, das sich in dieser Form widersetzt. Das Gedicht als Interessenvertretung des Ich legitimiert sich als Ort der Selbstbestimmung und Selbstbehauptung, seine Wahrheit liegt in seiner Wirkung, im Widerstand gegen gesellschaftliche Teilung des Ich. So könnten wir heute sprechen – vor einem anmaßenden Legitimationstribunal. Das wäre die immanente Verteidigung individueller Rechte oder auch Restbestände. Metaphysische Implikationen stecken da nicht mehr drin. Halten wir das fest, und verkleistern wir nicht die Brüche, den historischen Einbruch. Die rauschhaften Fernen der Bennschen Dichtung sind zugeschlagen. Wir stehen hier vor verschlossenen Türen. Die weiten Bögen prähistorischer oder auch historischer Raffung sind selbst Geschichte geworden. Die Dichtung nach dem letzten Krieg hatte den Bannkreis metaphysischer Erinnerung schon verlassen. Insgesamt. Nicht nur die Lyriker hatten das getan. Eine Epoche war zu Ende. Gottfried Benn war damals schon zu einem historischen Phänomen geworden. Die jungen Poeten der Gruppe 47 hatten das Rückzugsgefecht schon hinter sich, hatten sich etabliert in der Reduktion. Die Verführung der Bennschen Sprache, die Verfallenheit an den Sound seiner Gedichte, stand damals also schon im Widerspruch zu den neuen Tendenzen.
Und heute? In den letzten Jahren ist wieder bewußter geworden die Tatsache, daß die Innenwelt des Lyrikers der Humus ist, aus dem das Gedicht hervortreibt. Aber auch hier ist der Unterschied festzuhalten. Wenn heutige Literatur die Situation innerer Erlebnisleere umkreist, ist zwar die Perspektive komparabel, aber der Blick fällt in ausgeräumte Kavernen. Der Vorrat an Erlebnismasse ist geschwunden. Man schaut nach innen, und es frappiert die Öde, die man antrifft. Die Geschichte ist fortgeschritten und hat ausgeräumt. Vieles ist auf dem Sperrmüll gelandet, das in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch Funktion und Inhalt hatte. Die Situation ist wenig erfreulich, aber sie hat die Wahrheit auf ihrer Seite. Gegen sie spricht aus den Clubgarnituren des Wert- und Bewahrungsvereins zwar immer noch das humanistische Gerede, aber es verstummt doch zunehmend infolge Gebißverfall. Uns bleibt die Frage, was denn überhaupt noch blieb vom existentiellen Haushalt früherer Generationen. Diese Sucht nach substantieller Identifikation, wie sie unseren Voreltern eigen war – Goethe, Hölderlin, Mörike, die Droste, Rilke oder Benn −, diese Ahnenkette großer Seelentröster, die ist wohl abgerissen. Zu wunderbar die Vorstellung, als ob an dieser einen Stelle die Kettenglieder der Geschichte noch gehalten hätten.
Machen wir uns nichts vor, da gibt es keinen Zusammenhang mehr. Das alles ist historisch geworden, als solches interessant und vergleichbar, aber wir sind das nicht mehr, wir stecken in neuen Erlebnisformen, damit auch Kunstformen. Im Falle Benns können wir rückblickend feststellen: er hat der geistigen Situation des Abschieds von alten Wertvorstellungen und Weltanschauungen noch einmal Ausdruck gegeben. Den Verlust mythischer Erlebnisformen hat er in Gesang verwandelt. Wir können auch sagen, die Verwandlung war ihm noch einmal gelungen. Er war der letzte Sänger im Untergangskonzert des Abendlandes. Er verfügte noch über das Handwerkszeug des Sängers: Melos, Reim, weittragende Rhythmen und Bilderfülle. Er stand somit in einer Tradition, die heute zweihundert Jahre zurückreicht, die individuellen Ausdrucksformen betreffend wie die elegische Tonlage. Schiller und Hölderlin eröffneten in Deutschland diesen Abschiedsgesang.
Also da stehen wir heute: diesseits der Abschiedsgrenze. Die zauberhaften Melodien liegen weit zurück, sie sangen noch einmal von vergangener Pracht, die im Rückblick um so prächtiger erscheint, wie das ja immer so ist, in der Geschichte, im Leben und in der Liebe. Wir stehen also da in unserer nüchternen Unterkühlung und fragen: diese Beschwörungsformeln geistiger Urerinnerung, diese Glanzstücke versunkener Kulturen, die in Benns Gedichten noch einmal an Land spülen – wie nehmen wir die auf, wie integrieren wir dieses Strandgut einer geschichtsphilosophischen Phantasmagorie? Die Frage taucht ganz sicher dann auf, wenn man sie didaktisch angeht. Die Lehrpläne der Schulen sind ein Kulturscharnier. Versuchen wir einmal, es zu bewegen. Der Dichter im Unterrichtsmodell – das ist wie die Frau in der Kiste, da wird zersägt und zerlegt, da kann das Publikum nur noch staunen. Aber auch die Universitäten, woher die Lehrer kommen, haben ihre Regeln. Nehmen wir beide Seiten einmal ins Visier. Das könnte so aussehen. Über prälogische Schichten läßt sich logisch nicht sprechen. Das ist klar. Aber die Evokationen aus geschichtlichen oder geographischen Bereichen, die in dieser Lyrik magisch hochgetrieben werden, darüber müßte sich doch Einigung erzielen lassen. Wenn wir uns nicht verschanzen hinter einem Zauberwort der Philologen, und das heißt Sprachmagie. Auch waren die Worte esoterisch und kryptisch beliebt, wenn man der literarischen Genealogie aus dem französischen Symbolismus nachging. Konstatiert wurde die leere Transzendenz neben der leeren Idealität und dem leeren Geheimnis. Der Lyriker wird stilisiert zum Klangmagier. Das war die Poesie der Wissenschaft, die selbst im Bannkreis der Magie stand. Die Dunkelheit der Dichter wurde gepriesen. Wir erlebten das am Ende der Bewegung noch einmal mit Paul Celan. Und Benn war es nicht anders ergangen. Es wurde interpretiert. Die Fragen waren ja nicht unberechtigt – denn klar war gar nichts.
Wo etwa ist Palau, was hat es mit den Osterinseln auf sich, was ist der „Amphitrite letztes Meer“, was sind „Leda-Feste“, „Bengalenspeicher“, was ist „Gomorrhamehl“, wo sind die „Porphyrkordilleren“? Fragen über Fragen, wenn man diese Lyrik durchgeht oder wenn man die Assoziationsketten der frühen Prosa verfolgt. Leichter hat es der Leser mit „Levkoienwelle“, „Geranienborde“, „Felsenschönen“, „Schwalbenhimmeln“, „Äon’s Schöpfungsliedern“ oder der „Weltenesche Ygdrasil“ – solche Metaphern sind handgreiflicher. Aber soll man denn diese Zauberformeln, diese Wortmagie überhaupt entziffern, in die Hand nehmen, hin und her drehen, aufbrechen wie Austern oder auflösen wie Rätsel? Sollen die Zauberworte nicht ganzheitlich durchspülen, halluzinativ die Phantasie erregen, aufweichen die kategoriale Hirnstruktur?
Ostafrika im Hirne,
Togo, der Amok tanzt:
das ist die weiche Birne
mit fremder Welt bepflanzt;
(…)
ach Afrika im Hirn,
keine Gedanken, keiner
trösten den Denker wie
Überbesetzung seiner
mittels Geographie.
(„Ostafrika“)
Wenn die Interpreten Wortkriminalistik betrieben oder betreiben, aber zur Hauptsache war das ja eine Mode, die den fünfziger und frühen sechziger Jahren angehörte, wenn Bilder auseinandergenommen oder Motive auf ihre Herkunft abgefragt wurden, gingen sie den gegenläufigen Weg zur poetischen Wirkungsabsicht. Sie gingen den deduktiven Weg, während der induktive intoniert war. Etwa das Mythenvokabular bei Benn betreffend, diese Bruchstücke griechischer, asiatischer, indianischer Götterwelten, die in Lyrik und Prosa evoziert werden, – mit einem mythologischen Wörterbuch in der Hand steht der Leser hilflos vor diesen magischen Kaskaden, betreibt nur jenen Historismus, den Benn so gründlich verachtet hat. Natürlich muß er wissen, was eine attische Lekythe ist, muß Kenntnis haben vom Totenritual und von den Hadesmythen griechischer Kultur, wenn er das Gedicht liest „5. Jahrhundert“:
„Und einer stellt die attische Lekythe,
auf der die Überfahrt von Schlaf und Staub
in weißen Grund gemalt als Hadesmythe,
zwischen die Myrthe und das Pappellaub.“
Er muß das wissen, der Leser, aber er muß es auch wieder vergessen haben als Schulweisheit. Die historischen Fakten müssen umgeschmolzen sein zu Erlebnisfaktoren, wobei fraglich ist, ob der Leser jemals die visionäre Erlebnissteigerung erreicht oder erreichen will, die hinter dem poetitschen Schöpfungsakt steht. Denotativ, sagt der Lehrer, ist die konventionell festgelegte Bedeutung von Lekythe, meinend das altgriechische Tongefäß in Form einer länglichen Kanne mit schlankem Hals, Henkel und Gußerweiterung, diente a) zur Aufbewahrung von Salböl und zum Begießen der Grabmäler mit dem geweihten Öl, b) als Grabbeigabe für die Toten, zu diesem Zweck, besonders in Attika, mit Totenkultdarstellungen bemalt; konnotativ haben wir die Kontexterweiterung mittels individueller Implikation zu beachten, das Konnotat umfaßt die emotionalen Komponenten der Nachricht, gerade auch das assoziative Moment. Und in dem Augenblick kann es passieren, daß der Schüler an die Souvenirlekythe denkt, zu Hause in der Schrankwand aufgestellt, die der Vater kaufte, im Giftshop von Delphi oder Athen, Olympia oder Eleusis, nachdem der Touristendurchmarsch über die Ausgrabungsfelder absolviert war. Dann liest er:
Die Felder rauh, die Herden ungesegnet,
Kore geraubt und Demeter verirrt,
bis sich die beiden Göttinnen begegnet
am schwarzen Felsen und Eleusis wird.
Auch das läßt sich noch auseinandernehmen, sowohl semantisch wie historisch wie mythologisch eruieren, verifizieren meinetwegen, aber dann kommt doch die letzte Hürde, die bildungsmäßig, bei allem guten Willen, nicht zu nehmen ist:
Nun glüht sich in das Land die ferne Küste,
du gehst im Zuge, jedes Schicksal ruht,
glühst und zerreißest dich, du bist der Myste
und alte Dinge öffnen dir dein Blut.
Seien wir doch ganz ehrlich, wer erlebt das noch identifikativ, wer geht da innerlich noch mit, im Zuge des Hierophanten und der Mysten, über die Heilige Straße nach Eleusis, die heute mehrspurig überdonnert ist von Schwerlastern und Touristbussen, vorbei an dieser apokalyptischen Industrielandschaft?
Das sind doch unsere Wirklichkeiten, und wir können uns nicht herausreden, das sei bei Benn ja auch nur gemeint als innerer Traumvorgang, als „mystische Partizipation“. Ganz sicher hat Gottfried Benn diesen inneren Rausch der Teilhabe an vergangenen Erlebnisformen erfahren. Das gesamte Werk ist der Niederschlag dieser provozierten Phantasie. Das können wir ganz einfach festhalten, aber wir müssen uns zugleich Klarheit verschaffen darüber, was uns das heute noch bedeutet. Nehmen wir noch einmal Goethe. Dessen einheitliche Weltsicht ist lange genug in einem restaurativen Sinne als nachvollziehbar angepriesen worden. Der Glaube nämlich an eine bergende Weltharmonie, die im dichterischen Gleichnis ihre Nachahmung findet. Als ob das alles noch im Einklang sei: Mensch und Natur, Subjekt und Objekt, Idee und Wirklichkeit. Goethe glaubte noch an diese tiefgreifende Harmonie, diese Identität von Unendlichkeit und Erde, die die Gesetze des Geistes mit denen der Natur verbindet. Aber Schiller glaubte schon nicht mehr daran, und Hölderlin zerbrach an dem Riß, der plötzlich quer durch die Schöpfung ging. Wenn wir das einsehen, begreifen wir Geschichte, nicht wenn wir vergangene Erlebnisformen aufzuwärmen versuchen. Was wir leisten können angesichts des Geschichtsverlaufs, ist eine nüchterne Wahrnehmung seiner Wandlungsprozesse.
Und das bedeutet bei einem Dichter wie Gottfried Benn, jede Fassadenrenovierung zu unterlassen, jede Aktualisierung zu verwerfen, ihn dort anzusiedeln, wo er selbst seinen Standort sah: am Ende einer langen Epoche von Geistesgeschichte. Die Kunst, die er als letzter noch vertrete, sei Ausdruck dieser Geschichte gewesen, und sie gehe mit ihm zugrunde. „Die Epoche mit Kunst, für immer vorbei!“ – „Es wird nie wieder Kunst geben…“ („Expressionismus“) Er also war der letzte Repräsentant jener Auflösungsphase, die schon im 18. Jahrhundert begann, und was sich da auflöste, war die Geschichte des Geistes, der sich selbst als absolut empfand. Und so blieb am Ende nur noch die innere Schau, Rückschau, summarisches Überblicken, wie Benn das nannte, der Traum, aber auch der ist schon tot.
Nur wenn wir das Rausch-Phänomen historisch einordnen, gibt es seinen Sinn frei, nicht wenn es zeitlos ventiliert wird. Am Ende verbinden wir dann noch mit der Dichtung Gottfried Benns den Drogentrip der Aussteiger von heut oder die inneren Kuraufenthalte in einem asiatischen Nirwana-City. Einordnen heißt ja nicht konservieren, es heißt nur ganz deutlich: Grenzen ziehen. Nicht zum Gedicht als Faszinosum, das soll niemandem verdorben sein, nur sollten wir wissen, wo wir stehen und wo der Literat stand, als er es schrieb. Das ist eine Frage intellektueller Sauberkeit. Ich muß unterscheiden: das Gedicht als ästhetische Verführung, als Klangmagie und Musik – und das Gedicht als historische Information. Was letztere angeht, so gibt das Gedicht ja Auskunft über die Geschichte des Geistes, die sogenannte Geistes-Geschichte und ihr definitives Ende. Nach Maßgabe der Perspektive Benns. Und dazu gehören am Ende die Zweifel, auch am Geist. Darüber kann ich sprechen, im Gegensatz zur Tatsache, daß es hinreißende Verse, Strophen, Gedichte gibt in diesem Œuvre. Das muß der Leser selbst entdecken, das läßt sich nicht vermitteln. Da läßt sich bestenfalls feststellen, was in den fünfziger Jahren noch so narkotisch wirkte. Jene Stimmung aus Wehmut und Trauer, dieser melancholische Gesang an der Grenze des Schluchzens und ästhetischer Verbindlichkeit. Dieser bewegte Ton, dessen Melos in Rosen und Tränen manchmal zu ersticken droht. Festzustellen ist, daß es jene schmelzende Sprachflut war, die Benn zur Hauptsache wohl sein lyrisches Publikum eingebracht hat. Schwelgend in Bildern und Melodien wird aber den meisten Lesern die Tragweite dieser Abschiedsmusik kaum zu Bewußtsein gekommen sein.
Um es noch einmal deutlich zu sagen. Ich kann nicht auf der einen Seite das Phänomen des geistigen Nihilismus konstatieren, und um dieses Phänomen kommt man als Problem nicht herum bei Benn, und auf der anderen Seite sammle ich die Inhalte der Gedichte, analysiere sie, inventarisiere sie und dokumentiere damit nichts anderes als einen positivistischen Inhaltskatalog. Ich kann doch nur das eine tun im Sinne dieser poetischen Aufforderung: die Inhalte als Inhalte fahren lassen, ihren endgültigen Untergang konstatieren. Mit aller Deutlichkeit sagt das ein Brief vom 18. Januar 1945 an den Briefpartner Dr. Oelze. Die Rede ist von den Statischen Gedichten, und die Rede ist gerade auch von jenem hier zum Beispiel genommenen „5. Jahrhundert“. An einem Gedicht, so Benn, arbeite er so lange, bis das „Grundgesetz“ klar werde, und das laute:
wir beziehen uns als Wesen u. Existenz doch ehrlicherweise gesagt auf garnichts mehr, auf nichts Vergangenes u. auf nichts Zukünftiges, wir stehn allein, schweigend aber auch zitternd in uns selbst. Das muss auf jeden Vers, auf jede Reihe, jeden Satz übertragen werden, auch er muss für sich allein stehn u. alles tragen, nichts stützt ihn mehr, keine Beziehung, kein Glaube, keine Hoffnung, keine Täuschung.
Benn spricht hier mit aller Klarheit zu einem historischen Zeitpunkt, der an Härte nicht zu überbieten war. Das Kriegsende, der totale Zusammenbruch steht bevor, und es scheint, daß dieser Vorgang die Zweifel Benns vertieft hat, radikalisiert, denn jetzt gerät alles ins Wanken, auch die scheinbar so unerschütterliche These vom Geist und von der Kunst in ihrer sakrosankten Abgehobenheit. 1946 ist die Hoffnungslosigkeit so abgründig, daß Benn seinem Briefpartner zynisch eine Positionen vorhält, die er ihm über zehn Jahre lang eingetrommelt hat. Daß es wahrhaftig besser wäre, „auch von Ihnen nicht mehr zu hören, dass Sie immer noch an jenes Rätselvolle glauben, das sich als Zukunft oder Zeitlosigkeit des Geistes oder Macht der Wahrheit wirklich reichlich dunkel u. irreal immer noch gelegentlich in unsere Gedanken u. Träume schiebt.“ (27.2.) 1948 versichert Benn seinem Briefpartner, sein Leben lang nicht an die „Wirkungsfähigkeit des Geistes“ geglaubt zu haben, aber aus „irgendeinem Zwang“ ihm doch gefolgt zu sein. (An Oelze, 22.8.) Und schließlich 1949: „Es ist vielleicht die unsägliche Müdigkeit u. Skepsis, die ich allen Dingen des Geistes gegenüber so niederdrückend stark empfinde, obschon ich immer verkünde und predige, dass nur der Geist das Absolute ist.“ (An Oelze, 15.10.) 1954 faßt Benn seine Skepsis in einem Gedicht zusammen:
Was ist der Mensch, – die Nacht vielleicht geschlafen,
doch vom Rasieren wieder schon so müd,
noch eh’ ihn Post und Telefone trafen,
ist die Substanz schon leer und ausgeglüht,
ein höheres, ein allgemeines Wirken,
von dem man hört und manches mal auch ahnt,
versagt sich vielen leiblichen Bezirken,
verfehlte Kräfte, tragisch angebahnt:
man sage nicht, der Geist kann es erreichen,
er gibt nur manchmal kurzbelichtet Zeichen.
(„Melancholie“)
Wenn wir das nicht rhetorisch nehmen, sondern mit dem gebotenen poetischen Ernst, den das Gedicht als Tatsache vermittelt, dann kommen wir dem Verlust vielleicht nahe. Dann erfahren wir etwas von der Trauer und von dem Schmerz, daß hier endgültig eine Erlebnisform verloren ist. Dann begreifen wir etwas von der einschneidenden Tatsache historischer Wandlungsprozesse. Und dem widerspricht nicht, daß auch dieser letzte Abschied noch umflossen ist von Schönheit, von Gesang, Melodie. Das mag absurd sein, aber es ist so.
Bruno Hillebrand
− Gottfried Benn: Gedichte 1912-1955
− Bruno Hillebrand: Gottfried Benn heute
− Oskar Sahlberg: Der Dichter als Psychologe
− Klaus Modick: Formenpräger der weißen Spur
− Michael Bielefeld: Bestätigung tiefster Zerrüttung
− Wilhelm Krull: Die Welt – hinter den Augen des Künstlers?
− Hugh Ridley: Botschaften aus dem ,untergangsgeweihten‘ Dritten Reich
− Gerhard Lampe: Über den Weltbezug von Gottfried Benns „Gedicht“
− Theo Buck: Autonomie und Gebrauchswert der Kunst: Benn und Brecht
− Peter Schünemann: „Im Dunkeln leben, im Dunkel tun was wir können“
− Bruno Hillebrand: Biographie Gottfried Benn
− Peter Schünemann / Oskar Sahlberg: Bibliographie
Es gehört wohl zu den stärksten Passionen junger, selbstbewusster Zeitschriftenmacher, die jeweils amtierenden Literaturpäpste zu grimmigen Bannflüchen zu reizen. Auch im Falle von Heinz Ludwig Arnold, dem Erfinder der Zeitschrift Text + Kritik, kam es zu Verwerfungen, als der junge Germanistikstudent im November 1962 den großen Friedrich Sieburg, seines Zeichens Chefkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, um ein existenzsicherndes Inserat für seine neue Zeitschrift anging. „Sie scheinen nachgerade an einem hoffnungslos gewordenen Qualitätsbegriff festhalten zu wollen“, so komplimentierte Sieburg artig den jungen Editor, um anschließend die Peitsche zu zücken: „Sie nennen für die erste Nummer drei Namen, die mir alle drei gleich widerwärtig sind, nämlich Günter Grass, Hans-Henny Jahnn und Heinrich Böll. Das ist … eine trübe Gesellschaft, dem deutschen Waschküchentalent entstiegen und gegen alles gerade Gewachsene feindselig gesinnt.“ Zwei Jahrzehnte später, so behauptet die Legende, war es Sieburgs Nachfolger Marcel Reich-Ranicki, der mit derben Beschimpfungen der „Schweine-Bande“ um „Arnold-Dittberner-Kinder“ nicht geizte.
Der so Attackierte ließ sich nicht einschüchtern. Der damals 22-jährige Arnold setzte in seinen ersten beiden Heften unverdrossen auf seine Hausgötter Grass und Jahnn – und es gelang ihm scheinbar mühelos das, was bei Rainer Maria Gerhardt, dem heute vergessenen Literaturgenie der Nachkriegszeit, noch in astronomisch hohen Schulden und einem tragischen Freitod geendet hatte. Unter dem ursprünglich von Arnold gewünschten Zeitschriftentitel fragmente hatte Gerhardt schon 1951/52 in seinem großartigen literarischen Journal dem restaurativen Nachkriegsdeutschland die Leviten gelesen, war aber an notorischem Geldmangel und ästhetischer Kompromisslosigkeit schon früh gescheitert.
Heinz Ludwig Arnold und seine frühen Mitstreiter Gerd Hemmerich, Lothar Baier und Joachim Schweikart hatten mit Text + Kritik mehr Glück. Das Konzept, sich in kritischen Aufsätzen immer nur einem wichtigen Gegenwartautor zu widmen, schien zunächst nur auf ein germanistisches Fachpublikum zu zielen. Nachdem er aber auf listige Weise beim Chefmanager von HAPAG-Lloyd eine Spende von 1000 DM rekrutiert hatte, begann Arnold mit seinem neuen Literaturblatt von Göttingen aus die literarische Welt zu erobern. Das Debütheft über Günter Grass, ein 32 Seiten-Heftchen, ist noch heute, in stark erweiterter und aktualisierter Fassung, zu haben. Für den Eröffnungsbeitrag, eine „Verteidigung der Blechtrommel“, hatte Arnold den Brüsseler Germanisten Henri Plard gewinnen können, den er während seiner literarischen Lehrjahre als Sekretär Ernst Jüngers kennen gelernt hatte. Auf sein literarisches Adjutantentum bei Ernst Jünger, das von 1961 bis 1963 währte, blickte Arnold später mit einigem Ingrimm zurück, zuletzt in seinem Text + Kritik-Heft zu Jünger, das die schärfste Kritik am Anarchen aus Wilflingen enthält, die jemals aus literaturwissenschaftlicher Perspektive geübt wurde.
Die Lust an der literaturkritischen Auseinandersetzung zeichnet ja nicht nur das Jünger-Heft, sondern viele andere Projekte der edition text + kritik aus, die 1969 im juristischen Fachverlag Richard Boorberg ein festes verlegerisches Fundament gefunden hatte und dort ab 1975 als selbständiger Verlag agieren konnte. Text + Kritik war nie ein Forum für urteilsschwache Germanisten, die jede interpretative Wendung mit einem Überangebot an Fußnoten absichern, sondern ist bis heute die bevorzugte Schaubühne für philologische Feuerköpfe, die cum ira et studio für oder gegen einen Autor und sein Werk eintreten. So muss jeder Autor, dem die Ehre zukommt, in einem Text + Kritik-Heft analysiert und seziert zu werden, mit kritischen Dekonstruktionen des eigenen Werks rechnen.
Mittlerweile hat die öffentliche Aufmerksamkeit nachgelassen, aber die angriffslustige Essayistik ist auch nach insgesamt 157 Heften das Markenzeichen von Text + Kritik geblieben. In Neuauflagen und Aktualisierungen wurden veraltete Urteile revidiert, beim Wechsel der Denkschulen und Interpretationsmethoden aber auch so mancher Purzelbaum geschlagen. In der 5. Auflage des Ingeborg Bachmann-Heft exponierte sich z.B. eine schrille feministische Literaturwissenschaft, der Sonderband Nr. 100 über „Literaturkritik“ publizierte massive Attacken auf Marcel Reich-Ranicki. Einem euphorischen Sonderheft über „die andere Sprache“ der „Prenzlauer-Berg-Connection“ folgte mit der Nummer 120 alsbald die Selbstkorrektur im desillusionierten Blick auf den Zusammenhang von „Literatur und Staatssicherheitsdienst“. Die subtilsten, stilistisch funkelndsten Schriftsteller-Entzauberungen haben in den letzten Jahren Hermann Korte und Hugo Dittberner verfasst. Über Sarah Kirsch, in der Nummer 101, findet man z.B. die wunderbare Sentenz, die Dichterin schreibe „Gedichte, die durch forcierte intellektuelle Unterbeanspruchung langweilen“. Diesen Königsweg literaturkritischer Unruhestiftung will Text + Kritik nicht mehr verlassen.
Max Rychner: Gottfried Benn. Züge seiner dichterischen Welt, Merkur, Heft 18, August 1949
Max Rychner: Gottfried Benn. Züge seiner dichterischen Welt (II), Merkur, Heft 19, September 1949
Hans Egon Holthusen: Das Schöne und das Wahre in der Poesie. Zur Theorie des Dichterischen bei Eliot und Benn, Merkur, Heft 110, April 1957
L.L. Matthias: Erinnerungen an Gottfried Benn, Merkur, Heft 171, Mai 1962
Nico Rost: Begegnungen mit Gottfried Benn, Merkur, Heft 218, Mai 1966
Nino Franks Bericht über seinen Besuch bei Benn, Merkur, Heft 398, Juli 1981
Walter Aue: „Das ist Bahia, am Meer“. Wege zu Gottfried Benn
Norbert Hummelt: Auf einen Sprung zu Gottfried Benn
Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstler Gottfried Benn
Helmut Böttiger: Gottfried Benn – Kleine Aster und andere Gedichte
Gottfried Benn: Kleine Aster – Gedichte und Prosa. Ulrike Draesner und John von Düffel im Gespräch mit Anja Brockert am 21.01.2019 im Literaturhaus Stuttgart.
Lesung: Holger Hof
Moderation: Jörg Magenau
Im Literarischen Colloquium Berlin am 13.12.2011
Tondokument: Peter Rühmkorf und Adolf Muschg über Benn und Brecht am 16.9.2006 in der literaturwerkstatt berlin.
Carl Werckshagen: Gottfried Benn 60 Jahre
Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung, 27.4.1946
Max Rychner: Gottfried Benn
Die Tat, Nr. 120, 3.5.1956
Adolf Muschg, Jürgen P. Wallmann, Edgar Lohner: Abschied von Gottfried Benn?
Die Tat, 29.4.1966
Jürgen P. Wallmann: Kunst als metaphysische Tätigkeit
Die Tat, 2.7.1966
Bruno Hillebrand: Gottfried Benn – zehn Jahre nach seinem Tod
Neue Deutsche Hefte, Heft 110, 1966
Peter Rühmkorf: „Und aller Fluch der ganzen Kreatur“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.6.1976
Jürgen P. Wallmann: „Der Ruhm hat keine weissen Flügel“
Die Tat, 30.4.1976
Gert Westphal: Gottfried Benn – nach zwanzig Jahren
Neue Zürcher Zeitung, 23.7.1976
Heinz Friedrich: Plädoyer für die schwarzen Kutten
Merkur, Heft 30, 1976
Albrecht Schöne: Gottfried Benn?
Die Zeit, 2.5.1986
Peter Rühmkorf: Gottfried Benn oder „teils-teils das Ganze“
Deutsches Sonntagsblatt, 6.7.1986
Wolfram Malte Fues: Nur zwei Dinge
manuskripte, Heft 174, 2006
Jörg Drews: Das Gegenteil von ,gut gemeint‘
Tages-Anzeiger, 4.7.2006
Cornelius Hell: Persönlich, poetisch, politisch
Die Furche, 29.6.2006
Gottfried Benn – das letzte und einzige Fernseh-Interview mit Gottfried Benn am 3. Mai 1956 zum 70. Geburtstag.
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