Zwiebelmarkt

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch Zwiebelmarkt

Zwiebelmarkt

WENN MEINE LIEDER NICHT MEHR STIMMEN

Wenn meine Lieder nicht mehr stimmen
und keiner hört mir zu
dann laß ich die Gitarre schwimmen
und setze mich zur Ruh.

So viele Leute, die ich kenne
die singen schön und aus Beruf
zu viel, als daß ich Namen nenne
versaun der Ehrlichkeit den Ruf.

Wie oft hör ich: Was soll ich machen
Ach Ehrlichkeit bringt nicht viel ein
da sing ich lieber seichte Sachen
kassier mein Geld und sag nicht nein.

Dann stelln sie sich auf eine Bühne
und singen irgendwelchen Mist
Mensch, besser daß ich nichts verdiene
eh ich was singe, was nicht ist.

Dann gibts noch solche, die was zeigen
die singen nicht, die machen frei
und achten drauf, daß beim Verneigen
vom Körper was zu sehen sei.

Vergessen über Brust und Beinen
daß es noch Wirklichkeiten gibt
worüber ganze Völker weinen
Das Schlimme ist: Die sind beliebt!

Ich glaube, es ist nicht so bitter
daß mich nicht jeder brauchen kann
ich will nicht singen wie ein Zwitter
nur vorher fragen: Kommt das an?

Wenn meine Lieder nicht mehr stimmen
und keiner hört mir zu
dann laß ich die Gitarre schwimmen
und setze mich zur Ruh.

Bettina Wegner

 

 

 

Nachbemerkung

Unsere Anthologie versucht, jene DDR-Lyrik von 1949 bis heute zu überblicken, die im weitesten Sinne zum Profil eines Verlages für Humor und Satire gehört. Nach vielfältigen Einzelbemühungen auf diesem Gebiet schien uns ein Überblick möglich, der das gerade Entstandene, noch nicht recht Überschaubare ebenso erfaßt wie das bereits klare Konturen Aufweisende, eine Art „Satiricon“ über den Zeitraum von dreißig Jahren.
Worauf es uns ankam, war der Kommentar zur Zeit, in der wir leben, zu den Menschen mit all ihren Widersprüchen, Unzulänglichkeiten, Borniertheiten, Irrtümern. Ein sicher nicht in Pastellfarben gemaltes Bild von uns und unseresgleichen ist hier entstanden, ein Bild immerhin, das die Kraft und den Optimismus dieser jungen Gesellschaft ahnen läßt. Vielleicht ein bißchen wenig die Auseinandersetzung mit dem hoffnungslos Gestrigen? Wieso aber sollten wir uns nicht überwiegend mit uns selbst beschäftigen.
Die Herausgeber haben sich an Schriftsteller gewandt, die in diesen Jahren ihre ersten Talentproben vorgezeigt haben, an Dichter, die seit einem Jahrzehnt und mehr genannt werden, wenn von Lyrik der DDR die Rede ist, wie auch an die, die im wesentlichen die Dichtung unserer Tage vorbereitet und angestimmt haben – sofern sie noch selbst aufgefordert und nicht nur Sachwalter befragt und Ausgaben durchgesehen werden konnten. Es mußte respektiert werden, daß manche der Befragten sich nicht erinnerten, je einen satirischen Vers, ein heiteres Gedicht veröffentlicht zu haben, daß wenige, obwohl sie es gekonnt hätten, sich nicht beteiligen wollten und daß aus manchem umfangreichen Werk eine schmale Vorgabe benannt wurde, an die wir uns gebunden fühlten.
Ausgewählt wurden von jedem Autor nicht mehr als fünf Gedichte (Bobrowskis Xenien bilden die Ausnahme, und auch von Paul Wiens stehen sechs Gedichte, davon eines als Motto des Bandes). Die Zahl der jeweils aufgenommenen Gedichte verweist in gar keinem Falle auf irgendeine Rangordnung, die die Herausgeber damit hätten aufstellen wollen. Auch konnten wir uns nicht entschließen, eine gefällige Gliederung des Ganzen in Kapitel, nach Stoff- oder Themenkomplexen vorzunehmen. Uns blieb die unbestechliche Reihung der Autoren nach ihren Geburtsdaten, und das ist die schlechteste Ordnung wohl nicht. Sie macht am deutlichsten Entwicklungslinien sichtbar, Unterschiede zwischen und innerhalb der Generationen, verwandte und gegensätzliche poetische Konzepte, kurz: die lebendige Vielfalt unserer Lyrik über diesen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren. Sie zu interpretieren, wollen wir der Literaturwissenschaft überlassen, für die es an der Zeit wäre, dieser Art Lyrik mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Uns würde es freuen, wenn ZWIEBELMARKT ein Lesebuch geworden ist.

Wolfgang Sellin / Manfred Wolter, Nachwort

 

 

Fakten und Vermutungen zu Wolfgang Sellin + Kalliope
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