Beat Brechbühls Gedicht „Ehepaar beim Nachtessen“

BEAT BRECHBÜHL

Ehepaar beim Nachtessen

Sie schweigen sich an.
Sie essen das graue Zeug.

Dann fallen sie
tot von den Stühlen.

1970er Jahre

aus: … leichthin über Liebe und Tod. Ein Programm deutscher Lyrik. Mit Oskar Ansull / Georg Eyring. Haffmans Verlag, Zürich 1998

 

Konnotation

Beat Brechbühl (geb. 1939) ist einer der beruflich und auch stilistisch vielseitigsten Schweizer Schriftsteller, Kinderbuch-Autoren und Büchermacher. Aus der etablierten Verlagswelt stieg er früh aus, um einen eigenen Verlag mit bibliophilen Kostbarkeiten zu gründen. Seine eigenen Gedichte erproben die unterschiedlichsten Redegesten: vom direkten, alltagssprachlichen Zugriff über die erzählerische Ausschweifung bis hin zur spröden Lakonie. Brechbühls Literatur bevorzugt einen kolloquialen Ton und eine gestische Direktheit, die an die Konzepte einer engagierten Poesie – von William Carlos Williams bis Bertolt Brecht anschließen.
Knapper lässt sich die Tragödie einer irreversibel erstarrten Ehe kaum in Verse bringen. Zwei Zeilen genügen, um die stumpfsinnige rituelle Begegnung und das feindselige erfassen. So will man bei der ersten Lektüre glauben. Die Lapidarität jedoch, mit der in den beiden folgenden Versen der gemeinsame Tod des Ehepaars vermeldet wird, lässt die Möglichkeit offen, dass hier vielleicht ein gemeinsamer Suizid zelebriert worden ist – durch Selbstvergiftung.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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