Friedrich Hölderlins Gedicht „Höhere Menschheit“

FRIEDRICH HÖLDERLIN

Höhere Menschheit

Den Menschen ist der Sinn ins Innere gegeben,
Daß sie als anerkannt das Beßre wählen,
Es gilt als Ziel, es ist das wahre Leben,
Von dem sich geistiger des Lebens Jahre zählen.

vor 1841

 

Konnotation

In seinem letzten Schreibrefugium, dem berühmten Turmzimmer des Tübinger Tischlers Ernst Zimmer, hat der kranke Friedrich Hölderlin (1770–1846) nach 1841 lapidar festgehalten: „Ja, die Gedichte sind echt, die sind von mir, aber der Name ist gefälscht, ich habe nie Hölderlin geheißen, sondern Scardanelli, Scarivari oder Salvator Rosa oder so was.“ Unter diese Reihe der mit „Scardanelli“ gezeichneten Poeme gehört auch der Blick auf die „höhere Menschheit“.
Die antikische Utopie der Hölderlinschen Dichtung war von Beginn an die Vervollkommnung der Gattung zur „höheren Menschheit“. Als den „wahren“ Sinn des Lebens bezeichnet das Fragment daher die auf Bildung gerichtete Introversion, die sorgsam gewählte geistige Existenz. Mit einem pragmatischen bürgerlichen Dasein war dieser „Sinn ins Innere“ aber nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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