Hannelies Taschaus Gedicht „Was ist das“

HANNELIES TASCHAU

Was ist das

ich starre auf das
Was habe ich erwartet
daß es sich
aaabewegt sich
aaaverfärbt sich
aaaanspitzt und als Waffe
aaataugt?

Ist es dies oder ein anderes?

Ist es ein gebräuchlich es?
Und wann habe ich es
aaaverloren?

Ist es ein Schimpfwort?
Ein unverzichtbares?
Umgangssprachlich/Landschaftlich
geprägt?

Wird es mir
aaaüberhaupt
aaafehlen?

1970er Jahre

aus: Hannelies Taschau: Wundern entgehen. Gedichte 1957–1984. Sammlung Luchterhand, Darmstadt 1986

 

Konnotation

Für die moderne Poesie hat einst der radikale amerikanische Dichter Ezra Pound (1885–1972) die Parole ausgegeben: Über allem stehe die Suche nach dem allein treffenden Ausdruck, nach dem „mot juste“. Auf die Suche nach diesem „mot juste“ hat sich hier auch das Ich der Dichterin Hannelies Taschau (geb. 1937) begeben. Das Gedicht vollzieht eine tastende Suche nach dem verlorenen Wort, das den Artikulationsabsichten des Subjekts vielleicht besonderen Nachdruck verleihen könnte.
Hannelies Taschau ist eine Autorin, die in unverstellter Direktheit, ohne metaphorische Stilisierungen, ihre Erfahrungen benennt. Im Fall dieses in den 1970er Jahren entstandenen Gedichts berührt die Offenheit und Unabgeschlossenheit dieser Suchbewegung, die auch Zweifel zulässt, ohne am Ende mit einer definitiven Gewissheit aufwarten zu können. Das gehört zu den Eigenschaften eines guten Gedichts: dass es Fragen stellt oder verschärft – nach Sprache, Geschichte und Existenz – und uns nicht mit leicht handhabbaren Antworten abfertigt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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