Peter Huchels Gedicht „Der glückliche Garten“

PETER HUCHEL

Der glückliche Garten

Einst waren wir alle im glücklichen Garten,
ich weiß nicht mehr, vor welchem Haus,
wo wir die kindliche Stimme sparten
für Gras und Amsel, Kamille und Strauß.

Da saßen wir abends auf einer Schwelle,
ich weiß nicht mehr, vor welchem Tor,
und sahn wie im Mond die mondweißen Felle
der Katzen und Hunde traten hervor.

Wir riefen sie alle damals beim Namen,
ich weiß nicht mehr, wie ich sie rief.
Und wenn dann die Mägde uns holen kamen,
umfing uns das Tuch, in dem man gleich schlief.

1930er Jahre

aus: Peter Huchel: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Axel Vieregg, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1984

 

Konnotation

Seine „naturmagische“ Poetik hat der in der Mark Brandenburg heimisch gewordene Dichter Peter Huchel (1903–1981) gerne mit den Kategorien der Mystik beschrieben: „Wortklänge, Bildvisionen, auf kein Thema hin geordnet… das war alles – ein paar magnetische Eisenspäne gewissermaßen, noch außerhalb des magnetischen Feldes.“ Im „großen Hof“ seines Gedächtnisses, so Huchel, seien ihm „Himmel, Erde und Meer gegenwärtig“. In seinen frühen Gedichten wie dieses aus den 1930er Jahren wird diese Herkunftswelt mit ungebrochener Wehmut vergegenwärtigt.
In den Gedichten nach 1962, als auf Huchel als Herausgeber der Literaturzeitschrift Sinn und Form eine regelrechte Hetzjagd einsetzte, veränderte sich auch das Naturbild des Dichters. Dann dominiert eine Poetik des Verhängnisses, die in die beschworenen Landschaften stets Zeichen des Unheimlichen einschreibt. Der isolierte Dichter hält Zwiesprache mit dem Schweigen oder entwirft Bilder vom Verlust der Hoffnung und kryptische Diagnosen des Scheiterns.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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