Ror Wolfs Gedicht „Fußball-Sonett Nr. 4“

ROR WOLF

Fußball-Sonett Nr. 4

Das ist doch nein die schlafen doch im Stehen.
Das ist doch ist das denn die Möglichkeit.
Das sind doch Krücken. Ach du liebe Zeit.
Das gibt’s doch nicht. Das kann doch gar nicht gehen.

Die treten sich doch selber auf die Zehen.
Die spielen viel zu eng und viel zu breit.
Das sind doch nein das tut mir wirklich leid.
Das sind doch Krüppel. Habt ihr das gesehen?

Na los geh hin! Das hat doch keinen Zweck.
Seht euch das an, der kippt gleich aus den Schuhn.
Ach leck mich fett mit deinem Winterspeck.

Jetzt knickt der auch noch um, na und was nun?
Was soll denn das oh Mann ach geh doch weg.
Das hat mit Fußball wirklich nichts zu tun.

1982

aus: Ror Wolf: Das nächste Spiel ist immer das schwerste, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a.M. 1994

 

Konnotation

Für das mythische Herzstück der Populärkultur, den Fußball, hat der 1932 geborene Schriftsteller Ror Wolf das ästhetische Evangelium geschrieben. Seit den 1960er Jahren hat der Autor dem an Heldenlegenden und Erweckungserlebnissen reichen Stoff Sonette, Stanzen, Balladen, Prosatexte, Zitatmontagen, Radio-Collagen und einen Film gewidmet. Als „Mutter aller Fußball-Bücher“ gilt dabei die 1982 erschienene Sammlung Das nächste Spiel ist immer das schwerste.
Aus den Kommentaren, Flüchen und Schimpfkanonaden erregungsbereiter Fußball-Zuschauer hat Ror Wolf kunstvoll sein Sonett montiert, das Bestandteil eines zwölfteiligen Zyklus mit „Rammer- & Brecher-Sonetten“ ist. Aus diesem schönen Gedicht, in dem ein kollektives Ich spricht, erhellt auch die omnipräsente Anmaßung, dass jeder Konsument dieses Sports für sich selbst auch die höchste Kompetenz als (Bundes)trainer beansprucht.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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