Ulrike Draesners Gedicht „echo“

ULRIKE DRAESNER

echo

gebrochen er, als wär das zusammen, frage,
zu welcher anderen er halte, wie
das anders breche, breche er als der,
der, daß es zusammenhalte, das sage:

es breche zusammen, wäre frage,
zu einer anderen zu halten breche er

der, daß das zusammenhalte, sage:
das wär das andere, so breche er,
daß das, im zusammenkommen, halte wie
als wär das, gebrochen er, zusammen ohne frage.

1995

aus: Ulrike Draesner: gedächtnisschleifen. Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2008

 

Konnotation

Ein Gedicht kommt aus dem Körper, so hat die 1962 in München geborene Ulrike Draesner in einer Poetologie geschrieben, es entsteht scheinbar zufällig und kristallisiert sich heraus aus Sprachschleifen oder Loops, dem Zusammenstoß und dem Ineinandergleiten der Rhythmen von Außen- und Eigenwelt. Wie ein solches Gedicht das Wechselspiel von Nähe und Ferne verhandelt, zeigt Draesner in „echo“, das die Dialektik von Liebe und Trennung im Rekurs auf eine Mythe inhaltlich verwebt.
Die mythische Erzählung berichtet von einem Sprachraub. Nachdem Göttin Hera entdeckt, dass Echo sie im Auftrag ihres Gatten Zeus mit Geschichten abgelenkt hat, um ihm die Gelegenheit für seine Seitensprünge zu verschaffen, bestraft Hera sie mit dem Verlust der Sprache. Lediglich die Fähigkeit, die letzten an sie gerichteten Worte zu wiederholen bleibt ihr. Mit diesem Fluch geschlagen, gesteht Echo dem Narziss ihre Liebe und wird von diesem grob verschmäht. In die Einsamkeit zurückgezogen, verkümmert die Nymphe und wird schließlich nur noch Stimme.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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