Yaak Karsunkes Gedicht „Das Zebra“

Yaak Karsunke

Das Zebra

Eins wird das Zebra nie begreifen:
Wie kommt man übern Zebrastreifen?
Es bleibt am Straßenrande stehn
& ist dort stundenlang zu sehn –
bis sein Anblick jemand rührt
ders dann übern Fahrdamm führt.

2005

aus: Das Gedicht, Zeitschrift für Lyrik, Kritik und Essay. Hrsg. von Anton G. Leitner, Heft 14

 

Konnotation

Es war ein weiter Weg von dem dezidiert politischen Lyriker und Dramatiker Yaak Karsunke zu dem Autor hinreißender Kindergedichte. 1934 in Berlin geboren, verdankt Karsunke seine literarische Sozialisation den utopischen Energien der linken Außerparlamentarischen Opposition, die ab 1965 die politische Landschaft der Bundesrepublik zu verändern begann. 1973 definierte er in einem Essay über politische Lyrik den aufgeklärten Dichter als „Abrißarbeiter im Überbau“.
1968 verließ Karsunke die linke Literaturzeitschrift Kürbiskern, die er 1965 mitbegründet hatte, aus Protest gegen den Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei. Noch in seinen Altersgedichten werden die Niederlagen der „alten genossen“ mit dialektischem Witz thematisiert. Neben die politischen Lektionen treten aber seit den 1980er Jahren vermehrt Kindergedichte, wie die 2005 erstmals publizierte Miniatur über das Zebra.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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