Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Oh, die Null! (Teil 4)

Oh, die Null!

Von der Buchstäblichkeit der Dichtung

Teil 3 siehe hier

In seiner «Forschung zum O» arbeitet Dotan-Dreyfus am straffen Leitfaden bereits vorliegender einschlägiger O-Analysen die Mehrdeutigkeit als gemeinsames – eindeutiges! – Charakteristikum der von ihm behandelten Textvorlagen geschickt heraus, wobei er allerdings den Einzugsbereich seiner Grenzgänge so weit fasst, dass Vermutungen und Behauptungen seine Argumentation eher verunklären denn bekräftigen.

Ob Paul Celans «Meridian»-Rede (1960) mit den Verweisen auf das Gedicht als artikulierte Form des Schweigens, auf das Wort als Topos und Utopos, auf die Fülle des Nichts (das er paradox als etwas «Kreisförmiges» mit zwei Polen beschreibt!), auf die umfassende Rundung des Horizonts als Zelebrierung des O und/oder der Null zu werten ist, bleibt fraglich. Fraglich indes auch, weshalb Dotan-Dreyfus die Celan’sche Identifikation von Gedicht und Person nicht aufgreift, obwohl doch gerade die «Person» (persona als das «Durchklungene», konkret auch als Maske) mit dem betonten O ein sprechendes Beispiel dafür sein könnte.

Fragwürdig überdies, dass in der vorliegenden «Forschung zum O» die Lautpoesie, das alphabetische Gedicht und auch die figurative Schriftgestaltung (Erté, Massin u.a.) keinerlei Beachtung und Betrachtung findet. Doch gerade dazu könnte der Autor mit seinem schmalen Band anregen – zu wachem Interesse für die Mikrostrukturen der Dichtung und zu vermehrter produktiver Auseinandersetzung damit.

 

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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