Arno Holz’ Gedicht „Yeah!“

JÜRGEN THEOBALDY

Yeah!

Hier kriecht und kriecht die Nacht heran:
Sie reißt den schwarzen Kasten auf.

Die Sänger greifen nach dem Mikrofon
und schreien in die Nacht hinaus.

Die Macher loben sich von neuem aus,
sie prallen auf die Dunkelheit.

Ich aber knipse meine Lampe an,
Licht in den Kurven meiner Geisterbahn.

nach 1980

aus: Jürgen Theobaldy: 24 Stunden offen. Peter Engstler Verlag, Ostheim/Rhön 2006

 

Konnotation

Yeah!“: Der Urlaut der Pop-Kultur gibt hier das Startsignal zu einer beschleunigten Fahrt ins Dunkel des Lebens. Der sehr wandlungsfähige Dichter Jürgen Theobaldy (geb. 1944), dereinst der originellste Repräsentant einer Lyrik der „Neuen Subjektivität“, liefert hier eine wunderbare Gegenschrift zu Rainer Maria Rilkes berühmtem „Karussell“-Gedicht aus dem Jahr 1906.
Bei Rilke überstrahlte ein „weißer Elefant“ als das hellste Zeichen im „Karussell“ die Einsicht in das unwiderrufliche Verschwinden der Kindheit. Theobaldy zieht dem bunten Karussell die dunkle, nur mit einer Taschenlampe notdürftig beleuchtete Geisterbahn vor. Bei dieser Kreisfahrt bleibt alles ungewiss, auch wenn der Aufprall auf die Dunkelheit und mit ihm die Dämonen eine temporäre Erscheinung bleiben. Aber der Schwung, mit dem das Ich in die dunkle Geisterbahn einfährt und der das Bild entfesselter Rock-Konzerte heraufruft, ist hier getragen von Zuversicht.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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