Bazon Brocks Gedicht „Der gute Willi ist sein menschlich Himmelreich“

BAZON BROCK

Der gute Willi ist sein menschlich Himmelreich

Der gute Willi ist sein menschlich Himmelreich
Nach schwarzem Freitag ist der Samstag blau.
Einsam wacht der Kohlenklau.
Rucke die Kuh, der Germanist wird bleich.

1964

aus: Die Meissengeige. Hrsg. v. Günter Bruno Fuchs, Carl Hanser Verlag, München 1964

 

Konnotation

Bevor er die öffentliche Aufmerksamkeit als ästhetischer „Generalist“ auf sich fokussierte, hatte sich der Kunst-Theoretiker und passionierte Querdenker Bazon Brock (geb. 1936) schon als Lyriker exponiert. Eine erste „Gesamtausgabe“ seiner Dichtungen erschien in deutscher und englischer Sprache bereits 1966. In Günter Bruno Fuchs’ legendärer Nonsens-Verse-Sammlung Die Meisengeige (1965) hatte Brock einige besonders kauzige Exempel untergebracht.
Aus einer divergenten Menge von Redewendungen, Sprichwörtern und politischen Reizvokabeln hat Brock hier einen hübschen Vierzeiler gebastelt. Der auf einen Shakespeare-Aufsatz Goethes (1749–1832) zurückgehende Spruch „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“ wird hier ebenso verballhornt wie jene Formel vom „schwarzen Freitag“, die symbolisch den Kollaps des Bankwesens konnotiert. Der „Kohlenklau“, der die Kohlendiebe in der Zeit des zweiten Weltkrieges aufruft, trifft im Schlussvers auf ein Partikel aus einem Kinderreim („Rucke die Kuh“). So hat schließlich „der Germanist“ keine andere Wahl als zu erbleichen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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