Günter Bruno Fuchs Gedicht „Legitimation“

GÜNTER BRUNO FUCHS

Legitimation

Ich wohne hinter den Schritten
des Polizisten, der meinen Paß kontrolliert.
Ich wohne im Keller einer mittelgroßen
Ruine, im Altersheim
für den pensionierten Wind.

Ich wohne im pendelnden Käfig
eines Papageis, der alle Gesetzbücher
auswendig lernt.

Meine Behausung
am Platz für öffentliche Unordnung
ist der brennende Zirkus –
meine Grüße
gehen auf Händen zu dir hinüber,
meine Grüße
sind die letzten Akrobaten
unter der brennenden Kuppel.

1960er Jahre

aus: Günter Bruno Fuchs: Pennergesang. Gedichte & Chansons. Carl Hanser Verlag, München 1965

 

Konnotation

Seine Überlebenskunst hat Günter Bruno Fuchs (1928–1977), der Till Eulenspiegel aus Berlin-Kreuzberg, schon als junger Wehrmachtssoldat einüben müssen. Als der 17jährige nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft das Haus seiner Mutter zerbombt vorfindet, muss er sich provisorische Behausungen und Berufe (u.a. als Bergmann, Journalist, Clown in einem Wanderzirkus) suchen. Wie die Erfahrung der Heimatlosigkeit sein Lebensgefühl bestimmt hat, erhellt seine „Legitimation“.
Für ein ordnungsliebendes bürgerliches Dasein konnte der lyrische Akrobat und bekennende Quartalssäufer Fuchs nie gewonnen werden. Sein Platz war in der Nähe der Helden des Alltags, der Außenseiter und Narren. Seine Poesie über gewöhnliche Leute und deren gescheiterte Träume nährte sich aus Märchen und Kinderreimen. Die Wunschbilder seiner Gedichte beflügeln oft einen lyrischen Übermut, der stets von einer schwarzen Phantastik grundiert ist.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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