Ludwig Tiecks Gedicht „Waldeinsamkeit,…“

LUDWIG TIECK

Waldeinsamkeit,
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ew’ger Zeit,
O wie mich freut
Waldeinsamkeit.

Waldeinsamkeit
Wie liegst du weit!
O dich gereut
Einst mit der Zeit. –
Ach einz’ge Freud
Waldeinsamkeit!

Waldeinsamkeit
Mich wieder freut,
Mir geschieht kein Leid,
Hier wohnt kein Neid,
Von neuem mich freut
Waldeinsamkeit.

1797

 

Konnotation

Die Schreibwut des romantischen Dichterfürsten Ludwig Tieck (1773–1853) ist legendär. Mit seinen Märchennovellen, Romanen und Dramen und auch einigen Gedichten hat er das Profil der romantischen Bewegung geprägt und auch als Übersetzer epochale Aufgaben bewältigt, z.B. die Übersetzung der Werke Shakespeares. In späteren Jahren ließ seine Originalität deutlich nach. Das wohl berühmteste Gedicht des jungen Tieck findet sich in dem 1797 publizierten Kunstmärchen Der blonde Eckbert.
Anrührend ist in diesem Text die Stilisierung des Waldes zur problemfreien Zone, in der das Subjekt eine ewige Bleibe finden kann. Die emphatische Beschwörung der „Waldeinsamkeit“ wird als Topos in sehr vielen Texten der romantischen Bewegung wiederkehren. Der Wald als einsamer Fluchtort und fast paradiesisches Refugium wird dann vor allem in der Spätromantik Joseph von Eichendorffs (1788–1857) virulent.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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