Unbekannte Verfasserin Gedicht „Der Falk“

UNBEKANNTE VERFASSERIN

Der Falk

Ein Falk bin ich, klug und fein,
Behutsamkeit soll mein Gesang sein.
Willst du dein Auge in dich selber kehren,
Wird Gottes Gnad’ sich in dir mehren
Und in dir aufgehn wie das Morgenrot;
Gott hilft dir hier und dort aus aller Not
Und läßt dich in den himmlischen Auen
Das ewige Wort in seiner Klarheit schauen.

14. Jahrhundert

aus: Sinngedichte der Schwestern von St. Katharina

 

Konnotation

Der Tradition der deutschen Mystik folgend, entstanden im 14. Jahrhundert in diversen Ordensklostern volkssprachliche Bekenntnis- und Offenbarungstexte, die den religiösen Alltag und die Gnadenerlebnisse der Schwestern zum Thema haben. So besingen die Schwestern des Dominikanerinnenklosters St. Katharina in St. Gallen in ihren Rollengedichten die Herrlichkeit der Natur – und diese Naturfrömmigkeit verbindet sich mit einem innigen Gotteslob.
In Abhandlungen zur Geschichte der deutschen Mystik wird diese Offenbarungsliteratur als eine Form des Gebets beschrieben: „Für die Schwestern des beschaulichen Lebens hatte jede Blume auf dem Felde, jeder Fisch im Wasser, jeder Vogel in der Luft eine Stimme, um irgendeine Tugend zu verkünden und die Berufenen stets an ihr ewiges Ziel und Ende zu ermahnen.“

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00