3. Februar

Der berühmteste Scharfschütze der jüngeren US-Militärgeschichte ist, wie ich einer Agenturmeldung im Internet entnehme, heute erschossen worden. Chris Kyle sei während einer öffentlichen Veranstaltung auf einem Schießstand im US-Staat Texas bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit einem fünfundzwanzigjährigen Veteranen aus dem Afghanistankrieg ums Leben gekommen. Die Hintergründe der Tat seien bislang ungeklärt. Kyle war pensioniertes Mitglied der Navy-Seals-Eliteeinheit der US-Marine. Der hochdekorierte Achtunddreißigjährige sei im Irak im Einsatz gewesen und habe nach offizieller Zählung insgesamt einhundertdreiundfünfzig Feinde – also Menschen – erschossen, mehr als jeder andere Scharfschütze der Streitkräfte. Mit Vorträgen über seine Dienstzeit, mit Workshops über Nahkampftechnik und mit Kursen zum Schnell- und Scharfschießen habe er in kurzer Zeit Millionen verdient; seine Autobiografie ›American Sniper‹, die im vergangenen Jahr erschien, belegte in vielen Bestsellerlisten die oberen Plätze. Man vermute, dass es sich bei dem Todesschützen um einen von Kyles Kursteilnehmern handle. Hass? Rache? Neid? Rivalität? Wozu … wofür erschießt ein Scharfschütze in Friedenszeiten einen andern Scharfschützen? Und dies aus nächster Nähe! – Die Fälle häufen sich, da beliebige Passanten im öffentlichen Raum niedergeschlagen, verprügelt und, bereits wehrlos am Boden, mit Fußtritten traktiert werden, oft mit Fußtritten ins Gesicht, was nicht selten zu lebenslanger Invalidität, auch zum Tod führt. Der Fußtritt steigert Schmähung und Schande der Ohrfeige zur Auslöschung des Antlitzes, das Emmanuel Levinas für das Allerheiligste und also Unantastbare jedes Menschen hält, des nächsten wie des letzten. Jesus am Marterpfahl steht gestaltsymbolisch für das heilige Antlitz und dessen Schändung. Die schöngeistige Ethik des Philosophen bleibt Behauptung, vermag nichts zu ändern, nichts zu bewirken. Auch zum Verständnis der heute fast schon geläufigen Schandtat trägt sie nichts bei. Fast könnte man den gutmeinenden Levinas für einen Zyniker halten. – Spät abends noch mit Krys, ich lese ihr aus dem ›Hartknopf‹ von Karl Philipp Moritz vor; wir rauchen, trinken – zwei Rückfällige.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00