Die Blochsche Eröffnung 

Zur unverwechselbaren, durchaus befremdlichen Eigenart von Ernst Blochs Personalstil gehören die Auftaktsätze, mit denen er seine Prosastücke eröffnet, Sätze, die mit Titel und Thematik der Texte nichts zu tun haben, die eher gar davon ablenken oder sich in manchen Fällen wie Schlusssätze ausnehmen; Sätze wie diese (aus Erbschaft dieser Zeit, erweiterte Ausgabe, 1962): „Da niemand dahinter, blieb dies neue Sehen lange matt.“ − „Auch manch älterer Blick sucht hier, was ihm noch geblieben sei.“ − „Das also gibt vor, lauter bunter Trieb zu sein.“ Usf.
Was diese und zahlreiche ähnliche Sätze einleiten sollen, bleibt ebenso unklar wie die Frage, was sie als solche zu bedeuten, zu besagen haben. Eigentlich sind es doch sinnleere, ja unsinnige Aussagen, gedacht vielleicht als Sprengsätze, die vorab verblüffen, irritieren, etwaige Leseerwartungen beseitigen sollen? Was an ihnen besonders auffällt, ist ihre referenzlose Fixierung auf konkrete Sachverhalte wie „dies“, „hier“, „also“, deren vermeintliche Selbstverständlichkeit eben dadurch problematisiert wird, dass sie ohne den dafür notwendigen Bedeutungszusammenhang ganz einfach festgestellt beziehungsweise behauptet werden. Was geht dem geläufigen Umstandswort „also“ logischerweise voran? Welcher Ort ist mit „hier“ gemeint? Worauf verweist das demonstrative Pronomen „dies“?
Indem Ernst Bloch Selbstverständliches und Naheliegendes auf solche Weise verfremdet, macht er es für den Leser unversehens interessant, weckt dessen Lektüre- und Erkenntnisbegehren. Die stilistische wie auch die intellektuelle Rafinesse, mit der er dies bewerkstelligt, bestätigt seine noch immer unterschätzte Meisterschaft als Schriftsteller.
Hier ein paar Beispielsätze noch als Beleg für das unentwegte Blochsche Beginnen: „Da findet auch Fades sich leicht zueinander.“ − „Etwas wird anders.“ − „Doch ebenso ist nicht alles hier kleiner Mann, der sich täuscht.“ − „Was schal wird, geht auch leicht über.“ − „Bei soviel Wind wurde die Luft recht dünn.“ − „Doch nicht nur leichte Form drängt hier, in Fluss zu kommen.“ Vorzugsweise beginnt der Fluss bei Bloch mit einem Katarakt.

 

aus Felix Philipp Ingold: Endnoten
Versprengte Lebens- und Lesespäne

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