Dieter Roth Gedicht „Das Leben“

DIETER ROTH

Das Leben

Wenn sich das Leben richtet
nach dem Falle wieder auf,
hab ich die Falle schon gesichtet
und haue dem Leben eins drauf

nach 1960

aus: Dieter Roth: Frühe Schriften und typische Scheiße, Luchterhand Literaturverlag, Neuwied-Berlin 1973

 

Konnotation

Berühmt geworden ist der Schweizer Universalkünstler Dieter Roth (1930–1998) als eigenwilliger „Schimmelbild“-Artist und „Literaturwurst“-Hersteller, kaum jedoch als Lyriker. Während die Kunst-Szene seine mit Käse gefüllten Koffer oder seine „Weichplastiken“ aus verwesendem Fleisch feierte, übersah man sein literarisches Werk. Roths Texte suchen freilich die weitest mögliche Entfernung zu den tradierten Formgesetzen eines literarischen Kunstwerks.
Die pointierten Epigramme und groben Sinnsprüche, wie die in den 1960er Jahren entstandene Sentenz über „das Leben“, gehören noch zu den Teilen von Roths Werk, die sich am ehesten mit konventionellen ästhetischen Vorstellungen in Übereinstimmung bringen lassen. Am Urgrund seines Schreibens, in der radikalen Selbstentblößung seiner Tagebuch-Notate und seinen manischen „Scheisse“-Phantasmagorien, lauern Selbstekel, Existenzangst und Wutausbrüche. Den handelsüblichen Formen der Schönheit zog Roth stets das Hässliche, Deformierte und Eklige vor.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00