Frank Wedekinds Gedicht „Herr von Günther“

FRANK WEDEKIND

Herr von Günther

Herr von Günther
Läuft im Winter
Gerne Schlittschuh
Auf dem Eis,
Denn im Sommer
Ist’s zu heiß.

Nach 1900

 

Konnotation

Dem politischen und erotischen Provokateur Frank Wedekind (1864–1918) prophezeite der so viel formbewusstere Thomas Mann ironisch: „Wedekind, wird die Geschichte einmal sagen, war in einer teils sensiblen, teils puerilen, teils femininen Epoche der einzige Mann.“ Nachdem er wegen politisch anstößiger Spottgedichte auf Kaiser Wilhelm II. in der Zeitschrift Simplicissimus einige Zeit inhaftiert worden war, begann Wedekind ab 1901 in einem der ersten deutschen Kabaretts frivol-drastische und lustig-absurde „Lautenlieder“ vorzutragen.
Die Vermählung von Komik, Kalauer und Nonsens hat Wedekind schon siebzig Jahre vor seinen ketzerischen Nachfolgern, den Satirikern der „Neuen Frankfurter Schule“ – Robert Gernhardt, F.K. Waechter, F.W. Bernstein – vollzogen. Er suchte nicht nur systematisch die Konfrontation mit den Hütern der herrschenden Sexualmoral und der politischen Ethik, sondern übte sich auch in zweckfrei satirischen Tönen, wie in seinem nach 1900 entstandenen Porträt des „Herrn von Günther“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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