Gregor Laschens Gedicht „DIE Krüppelherde Mensch, den Leib…“

GREGOR LASCHEN

DIE Krüppelherde Mensch, den Leib
behängt mit Stücken Pein
und Wünschen geht
auf Kunstknochen
in die Verlassenheit zurück.

1995

aus: Gregor Laschen: Jammerbugt-Notate, Wunderhorn Verlag, Heidelberg 1995

 

Konnotation

In der sprachmagischen Dichtung des 1941 geborenen Lyrikers Gregor Laschen werden Natur und Geschichte, sinnliche Anschauung und geschichtliche Reflexion metaphorisch eng verwoben. Die poetischen Miniaturen seines preisgekrönten Bandes Jammerbugt-Notate (1995) enthalten nicht nur Aufzeichnungen aus einer „grossen schwarzen Bucht“ zwischen Ostsee und Nordsee, sondern auch tiefe Grabungen im Geschichtsstoff, der anthropologisch als „Sterbestoff“ verstanden wird.
Seine düstere Vision von Geschichte als Leidensgeschichte fasst Laschen in das Bild einer „mit Knochen vernagelten Welt“ als Epochensignatur. Der Mensch erscheint hier nur noch im Zustand der Deformation, als zerstückeltes, verkrüppeltes knochengewordener „Sterbestoff“. In dieser skelettierten, zermahlenen Welt wächst nichts Rettendes mehr. Was bleibt, ist die tiefe „Verlassenheit“ des Menschen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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