Hannelies Taschaus Gedicht „Objekt“

HANNELIES TASCHAU

Objekt

Er schläft leicht ein
du mußt ihm die Augen offenhalten
Er ißt gern lange
Wenn man ihn kalt anfasst schrumpft
er
aber das kennst du
das ist bei allen gleich
Nimm ihn bis Freitag kannst du ihn
haben
zum Wochenende hätte ich ihn
gerne zurück

1984

aus: Hannelies Taschau: Wundern entgehen. Gedichte 1957–1984. Luchterhand Literatur Verlag, Darmstadt 1986

 

Konnotation

Die sinnliche Unmittelbarkeit der Gedichte Hannelies Taschaus hat ihr früh verstorbener Kollege Nicolas Born (1937–1979) so beschrieben: „Sie sind weder Abhub noch Endprodukt von Erfahrungen, sie sind diese Erfahrungen selbst.“ Die Gedichte der 1937 geborenen Autorin setzen sich direkt den Wahrnehmungen und Beobachtungen des lyrischen Ichs aus, auch wenn diese Wahrnehmungen mit den Wünschen und Hoffnungen des Subjekts schmerzhaft kollidieren.
Ein (Anti-)Liebesgedicht aus dem Band Gefährdung der Leidenschaft (1984) protokolliert in lapidarer Knappheit den Handel mit Liebesobjekten. Allerdings werden in diesem Fall aus weiblicher Perspektive weniger die Vorzüge als vielmehr die Schwächen des männlichen „Objekts“ taxiert. Das Urteil über die Zuwendungs- und Liebesfähigkeit der temporären maskulinen Leihgabe fällt ernüchternd aus.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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