Hans Arps Gedicht „Sekundenzeiger“

HANS ARP

Sekundenzeiger

daß ich als ich
ein und zwei ist
daß ich als ich
drei und vier ist
daß ich als ich
wieviel zeigt sie
daß ich als ich
tickt und tackt sie
daß ich als ich
fünf und sechs ist
daß ich als ich
sieben acht ist
daß ich als ich
wenn sie steht sie
daß ich als ich
wenn sie geht sie
daß ich als ich
neun und zehn
ist daß ich als ich
elf und zwölf ist.

1924

aus: Hans Arp: Gesammelte Gedichte Bd. I, Limes Verlag, Wiesbaden 1963

 

Konnotation

Die Uhr, das Instrument der Zeit-Messung, ist in den metaphorischen Traditionen des Mittelalters und der Neuzeit stets ein Zeichen der Vergänglichkeit, oft verknüpft mit Figurationen der Melancholie. So wird etwa in Albrecht Dürers berühmtem Kupferstich melencolia I der im Bild sitzenden Figur ein Stundenglas und eine Sonnenuhr beigesellt. In einem der schönsten Gedichte des Surrealisten und Montage-Künstlers Hans Arp (1886–1966), geschrieben 1924, wird das sekundenweise Verstreichen der Zeit perfekt nachgebildet.
Durch das monotone Repetieren der Eingangszeile, durch die je gleiche Verslänge und Wörter-Zahl innerhalb jeder Zeile wird das mechanische Zeit-Maß der Sekunde kongenial in poetische Form umgesetzt. „Wir suchten eine elementare Kunst“, schrieb Arp dazu, „die den Menschen vom Wahnsinn der Zeit heilen und eine neue Ordnung, die das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle herstellen sollte.“

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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