Hans Sahls Gedicht „Exil“

HANS SAHL

Exil

Es ist so gar nichts mehr dazu zu sagen.
Der Staub verweht.
Ich habe meinen Kragen hochgeschlagen.
Es ist schon spät.

Die Winde kreischt. Sie haben ihn begraben.
Es ist so gar nichts mehr dazu zu sagen.
Zu spät.

vor 1989

aus: Hans Sahl: Die Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2009

 

Konnotation

Während der Literaturbetrieb schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs einstige Mitläufer oder bekennende Nationalsozialisten, wie die Germanisten Benno von Wiese oder Wolfgang Kayser willig in seinen Reihen aufnahm, wurde Schriftstellern, die ins Exil gegangen waren, der Eintritt ungleich schwerer gemacht. Einer dieser Schriftsteller war der 1907 als Hans Salomon in Dresden geborene Hans Sahl, der erst 1989 aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrte.
Sahls Gedicht versetzt den Leser in einem Vexierspiel in den Zustand des Exils. Das Begräbnis eines möglichen Weggefährten aus dem Exil bringt das Subjekt in jene Zeit zurück. Voller Trauer wird hier Abschied genommen, doch Sahl zieht auch ein vernichtendes Fazit: Alles was zu sagen wäre, ist nicht mehr zu sagen. Nicht weil es schon geäußert worden wäre, es ist niemand mehr da, mit dem die Worte geteilt werden könnten. 1993 starb Sahl in Tübingen.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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