Bernd Jentzsch: Zu Bernd Jentzsch’ Gedicht „Rose Ventilator“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Bernd Jentzsch’ Gedicht „Rose Ventilator“ aus Jahresring 66/67. Beiträge zur deutschen Literatur und Kunst der Gegenwart. 

 

 

 

 

BERND JENTZSCH

Rose Ventilator

Ich werde gesteuert
Ich dreh mich
Wenn man bedenkt
Ein einziger Griff
Sacht
Und ich blühe

Ich breite nichts aus als
Achtfache Blätter
Elektrisch und kühl
Wenn man bedenkt
Ein böiger Ort

Ein rosiges Treibhaus
Worin ich mich drehe
Wenn man bedenkt
Ich denke an nichts

1966

 

Kommentar zu „Rose Ventilator“

Anfang 1966 erschienen im Neuen Deutschland und in der Neuen Deutschen Literatur Artikel und Aufsätze von Max Zimmering, Erwin Pracht, Werner Neubert, Alfred Kurella, Alexander Abusch und anderen, die sich mit den Beschlüssen des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED (16.–18.12.1965) beschäftigten und allesamt bemüht waren, die in erster Linie von Honecker und Ulbricht geübte massive Kritik an Schriftstellern wie Gerd Bieker, Wolf Biermann, Werner Bräunig, Manfred Bieler, Stefan Heym und Heiner Müller sowie an der DEFA-Spielfilmproduktion des Jahres 1965 als „Ausdruck für die außerordentliche Bedeutung“ zu beurteilen, „die in unserer Gesellschaft der Entwicklung des geistig-kulturellen Lebens, besonders beim umfassenden Aufbau des Sozialismus, beigemessen wird“. (Die scharfmacherischsten Redner waren jedoch Paul Fröhlich, Inge Lange und Paul Verner gewesen.)
In einem Diskussionsbeitrag, den Christa Wolf, Kandidatin des Zentralkomitees der SED, auf dem 11. Plenum hielt, betonte sie, „daß die ganzen Prozesse, die im Moment in der Kultur zur Debatte stehen, wirklich Prozesse sind, die über längere Zeit in ruhiger, vernünftiger wissenschaftlicher Arbeit der ganzen Partei gelöst werden müssen“. Wiederholt von Zwischenrufen unterbrochen, schloß sie mit den Worten:

Ich halte keine Verteidigungsrede. Ich bitte nur darum, daß versucht wird, die Errungenschaften, die wirklich da sind, daß die auch gesehen werden und daß man sie aufrechterhält. Ich finde, unsere einzige Aufgabe ist in der nächsten Zeit, daß wir durch gute Bücher zeigen, durch Filme usw., daß unsere Gesellschaftsordnung, unsere Weltanschauung es ist, die den Schriftstellern die größten, die tiefsten Einblicke in die Gesellschaft gibt.

Auf seiner Sitzung am 12. Januar in Dresden verabschiedete auch der Vorstand des Deutschen Schriftstellerverbandes eine Erklärung zu den Beschlüssen des 11. Plenums, in der die „prinzipielle Kritik“ der Partei „an einigen Erscheinungen in der Literatur“ uneingeschränkte Billigung fand. Selbstkritisch stellte der Verband fest, daß es ihm nicht gelungen sei, „die Entwicklung unserer Literatur“ „wachsam und parteilich“ zu beeinflussen. Jenen Autoren jedoch, die sich nach Auffassung des Vorstandes bemühten, „vorwärtsweisend von sozialistischer Warte Probleme unserer Gegenwart künstlerisch zu bewältigen“, kündigte er die „kameradschaftlich-kritische Hilfe der Organe des DSV“ an.
Zur Vorbereitung des 11. Plenums hatte Klaus Höpcke am 5. Dezember 1965 im Neuen Deutschland eine widerwärtige Polemik gegen „Herrn Biermann“ und dessen in Westberlin herausgekommenen Gedichtband Die Drahtharfe veröffentlicht, die zu einem erneuten Auftrittsverbot für Biermann in der DDR führte. Ich richtete einen nichtbestellten Leserbrief an Höpcke, in dem ich mich gegen den scharfmacherischen Ton seiner Attacke wandte. Höpcke antwortete am 23. Dezember:

Sie sagen mir, den Stil der scharfen Abgrenzung in meinem Beitrag glaubten Sie seit Jahren überwunden. Ich sage Ihnen, daß ich die Negierung der geschichtsbildenden Potenzen und der effektiven historischen Leistungen der deutschen Arbeiterklasse für anachronistisch nicht erst seit 1965 halte.

Daß Biermann die Texte „in unserem Staate geschrieben und auf Westberliner Gebiet publiziert“ hat, dünkte Höpcke „schlimmer als makaber“.
Bereits vor dem 11. Plenum einschlägig belehrt, wußte ich nur zu gut, was unter „wirksamer“, „parteilicher“ und „kameradschaftlich-kritischer Hilfe“ zu verstehen war. Als Reflex auf all diese Auseinandersetzungen schrieb ich „Rose Ventilator“, einen scheinbar unpolitischen Text, der sich metaphorisch tarnt. Die Titel-Parataxe steht für das Ästhetische und seine Steuerung von außen. Sie drückt die Gefahr ideologischer Manipulierbarkeit aus, der sich der lyrische Sprecher ausgesetzt sieht, bevor er sich ihr in der dritten Strophe anscheinend spielerisch entzieht. Einige Freunde, unter denen „Rose Ventilator“ zirkulierte, verstanden zu lesen. Der Text blieb in der DDR ungedruckt.

Bernd Jentzsch 17.4.1992, aus Bernd Jentzsch: Flöze, Connewitzer Verlagsbuchhandlung Peter Hinke, 1993

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