Heinrich Heines Gedicht „Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,…“

HEINRICH HEINE

Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Wird täglich abgeschmackter!
Sie spricht von dir, mein schönes Kind,
Du hast keinen guten Charakter.

Die Welt ist dumm, die Welt ist blind.
Und dich wird sie immer verkennen;
Sie weiß nicht wie süß deine Küsse sind,
Und wie sie beseligend brennen.

1822

 

Konnotation

In der Zeit, als er sein „Lyrisches Intermezzo“ schrieb, nämlich zwischen Januar 1822 und Sommer 1823, hat Heinrich Heine (1797–1856) nach eigenen Angaben sehr einsam und zurückgezogen in Berlin gelebt. Er empfand seine Gedichte wie Bruchstücke eines Selbstgesprächs und als Gespräch mit einem „weiblichen Schatten“. Als fünfzehnter Teil eines Zyklus, der um eine unglückliche Liebe und die Ohnmacht des Liebenden kreist, entstand im Juni 1822 die kleine Verwünschung der Welt.
Gegen die Dummheit und Missgunst der Welt wird hier wie in vielen motivverwandten Gedichten die erotische Leidenschaft mobilisiert. Gegenüber Kritikern, die dem Dichter des „Lyrischen Intermezzo“ vorhielten, er variiere immerzu nur Bewegungen seines Gemüts. verwies Heine darauf, dass das Herz des Dichters der Mittelpunkt der Welt sei: „Durch das meinige ging der große Weltriß, und eben deswegen weiß ich, dass die großen Götter mich vor vielen Anderen hochbegnadigt und des Dichtermärtyrertums würdig geachtet haben.“

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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