Hugo Dittberners Gedicht „Im Rücken deiner Träume“

HUGO DITTBERNER

Im Rücken deiner Träume

Warum freut mich das Singen
der Vögel?
Warum höre ich noch das Kreischen
der Kreissäge?
Warum geht mir zu Herzen,
was du nicht sagst?

Die Wälder erheben sich unter dem Wind
und sprechen.
Ein Vogel fällt tot aus der Luft
und will begraben sein.
Nachts, im Rücken deiner Träume,
liege ich wach.

1970er Jahre

aus: Hugo Dittberner: Ruhe hinter Gardinen. Lyrikedition 2000. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1930

 

Konnotation

Unterwegs mit den Leuten“: So überschrieb der Lyriker und Erzähler Hugo Dittberner (geb. 1944) im Jahr 1975 seinen wegweisenden Essay über die Tendenzen der „Neuen Subjektivität“ in der Lyrik. Die Merkmale, die er der damals dominanten „Alltagslyrik“ zuschrieb, charakterisieren auch seine eigene Dichtung. Sie konzentriert sich auf die Vergegenwärtigung von Alltäglichkeit und bedient sich eines kolloquialen, an die Umgangssprache angelehnten Tons. So entstehen zart hingetupfte Wunschbilder von der Überwindung der „stumpfen Wirklichkeit“.
Dittberner beobachtet – im Sinne Schillers – den „Gegensatz der Wirklichkeit mit dem Ideale“ – so entstehen poetische Idyllen. Freilich sind es Idyllen mit doppeltem Boden, die um die Nicht-Erfüllbarkeit der poetischen Wunschbilder wissen. In diesem Gedicht aus den 1970er Jahren verbirgt sich hinter der Selbstbefragung des lyrischen Ich die Sehnsucht nach der Wiedererweckung einer gefährdeten Liebe.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

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