Peter Hacks’ Gedicht „Ermunterung“

PETER HACKS

Ermunterung

In dem Marterpfahl, kann sein,
Sitzt der Wurm,
Und ein Wetterstrahl, kann sein,
Sprengt den Turm.
Und der Galgenstrick, kann sein,
Er ist alt,
Und ein Augenblick, kann sein,
Ändert dein Geschick, kann sein
Schon bald

Auf die Mitternacht, kann sein,
Folgt ein Tag.
Wenn die Welt einkracht, kann sein,
Daß nichts dran lag.
Ha, das Allerletzte trat
Noch nicht ein.
Drum mutig, edle Seele,
Das Messer an deiner Kehle
Kann schlecht geschliffen sein.

1980er Jahre

aus: Peter Hacks: Hacks Werke in fünfzehn Banden. Bd. 1: Die Gedichte. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2003

 

Konnotation

Anders als der von ihm verachtete Sänger Wolf Biermann (geb. 1936) wollte es sich der bekennende Stalin-Apologet und poetische Formvirtuose Peter Hacks (1928–2003) nicht so leicht machen mit der Einübung politischen Beharrungsvermögens. Während Biermann in seinem Lied „Ermutigung“ seine Poetik des Widerstands in äußerst simple Verse brachte, zieht der Formkünstler Hacks in der „Ermunterung“ den galanten Tanzschritt als Motor der Hoffnungs-Bewegung vor.
Im diskreten Bezug auf Schillers Gedicht „Die Worte des Wahns“ aus dem Jahr 1800 reflektiert Hacks die Möglichkeiten einer Umwälzung der bestehenden Verhältnisse. Zwar scheint die Macht mit ihren Insignien – „Marterpfahl“, „Galgenstrick“ das „Messer an deiner Kehle“ – über die dereinst von Schiller in den Blick genommene Utopie vom goldenen Zeitalter zu triumphieren. Doch Hacks hält diesen Konflikt zwischen Repression und Subversion offen. Er schreibt ein formvollendetes Bekenntnis politischer Zuversicht.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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