Rainer Brambachs Gedicht „Am Nachmittag“

RAINER BRAMBACH

Am Nachmittag

Diesmal kam es am Nachmittag
und nicht wie sonst immer
in der Nacht.
Es kam wieder, doch ich fand
auch am Tag keinen Namen dafür.
Diesmal schien es gelb.
Ich saß in der Küche,
ein abgebranntes Zündholz
zwischen den Fingern.

1960er Jahre

aus: Rainer Brambach: Gesammelte Gedichte. Mit einem Nachwort von Hans Bender. Diogenes Verlag, Zürich 2003

 

Konnotation

Ich war ein Gartenbauarbeiter / ich habe Bleibendes geschaffen“: Als ein der Erde verbundener Gärtner, Torfstecher, Steinmetz, Weintrinker und Lyriker hat sich der Dichter Rainer Brambach (1917–1983) immer gerne porträtiert. Seine Verse hat er sich wohl genau so hart erarbeitet wie seine handwerklichen Produkte. Der Erdarbeiter in „grobem Hemd, Manchesterhose, Garibaldihut“ erkundete nicht nur die stofflichen Elemente von Landschaften und Gärten, sondern auch die eigene Seele.
Mitten in der alltäglichen Arbeit, beim Verrichten unspektakulärer Dinge kann einen plötzlich das Unerwartete überfallen, ein Traumblitz, eine Angstvision oder auch eine unabweisbare Gewissheit. Brambachs lyrisches Ich wird von etwas Unbestimmtem in Bann gezogen, etwas Mächtigem, dem das Ich keinen Namen geben kann, aber immerhin eine Farbe. Die Routinen der Lebenswelt sind erst einmal außer Kraft gesetzt, das Subjekt wird zurückverwiesen auf seine existenziellen Fundamente.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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