Eugen Gomringer: welt im sonett

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Eugen Gomringer: welt im sonett

Gomringer-welt im sonett

CI HORST HAACK

die sprache des poeten will verführen
was innen ruht zur leidenschaft der geste
auf dass der unbewusste schatz der reste
sich auch vom licht des auges lässt berühren

allein es braucht die anschauung das feste
es gilt des rahmens grenze zu verspüren
es gilt den wahren künstler zu erküren1
der nun in seiner sprache wählt das beste

denk ich was jeden tag vorweg sich schneidet
denk ich was ungehoben neu verwebt
denk ich was wurm und mensch verkrümmt erleidet
seh ich horst haack der beides in sich lebt

er zeigt wo wähnen sich vom willen scheidet
und willen zwingt wo wähnen lustvoll strebt

 

 

 

Von den Konstellationen zum Sonett

Eugen Gomringer hat 1953 durch sein erstes Gedichtbuch konstellationen constellations constelaciones in die Lyrik mit weltweitem Einfluss sein Manifest „vom vers zur konstellation“ veranschaulicht.
Er hat auch eine Art methodische Meditation eingebracht. Mit seiner folgenden Publikation kommandier(t) die poesie, die 2006 erschien und der Beginn einer Reihe biografischer Berichte in Prosa wurde, erweiterten sich Weltbezug und Sprachwelt, sodass er 2008, als ein Dankeswort an seine Frau zu verfassen war, die Form des Sonetts wählte, mit dem ihm trotz strengen Baugerüsts eine kontingente Wortwahl zur Verfügung stand. Aus einem Sonett, in dem noch die Erinnerung an wenige frühere Sonette fortlebte, wurden über hundert Sonette. Denn nun galt es auch, das gemeinsame Erlebnis von Weltreisen, der Kunst, der Philosophie und der Architektur der formalen Disziplin einzuverleiben.
Eugen Gomringer ist der Ansicht, dass das Sonett in seinem Fall eine grosse, verdichtete Konstellation von Rhythmus und Metrik darstellt.

edition signathur, Klappentext, 2020

 

versuch über material und methode des dichters

(eine dichtung wird dort angebracht
aaawo zwischen zwei unter druck stehenden teilen
ohne dichtung das gas oder die flüssigkeit
aaaherausströmen würde
eine dichtung besteht aus flexiblem material
aaadas sich zusammenpressen lässt
ohne dichtung könnten zwei einzelstücke
miteinander nicht dicht verbunden werden)

sie verbinden sich

die wörter zu sätzen
die sätze zu beziehungen
die beziehungen zu begriffen
die begriffe zu bedeutungen
die bedeutungen zu empfindungen
die empfindungen zu gedanken
die gedanken zu überlegungen
die überlegungen zu aktionen

die wörter bewirken
die sätze stellen fest
sie wirken zusammen

die wahl bestimmt das wort
das wort bestimmt den satz
der satz bestimmt den text
der text bestimmt die form
die form bestimmt die dichte
die dichte bestimmt das gedicht
das gedicht bestimmt die aussage
die aussage bestimmt den wert

die dichte der wörter
nie zuviel ist gedicht

durch druck werden dichtungen lesbar
durch druck werden texte erhalten
aaasie werden zu lautlosen zeichen
aaasie werden gelesen und begriffen

die eugenik der begriffe klärt ihren sinn
so wird dichtung zur sicherung von zeichen
aaagleich einem gummiring
aaagleich einer dichtung von eugen gomringer

(für eugen gomringer neu verdichtet
zur sicherung des druckes aus 1970)

Max Bill

 

BEOBACHTER AM STRAND
für Eugen Gomringer

Große Leute, kleine Leute,
dicke Leute, dünne Leute
und dazwischen ein paar Bräute.

Schmale Frauen, breite Frauen,
Stangenfrauen, Kugelfrauen.
Höchste Zeit, hier abzuhauen!

Nein, er bleibt am Strand. Natürlich
ändert sich der Blick figürlich.
Schönheit ist oft singulär.
Er kommt täglich wieder her.

Weiße Segel, rote Segel,
spitze Segel, runde Segel.
Er ist ja kein Spannerflegel.
Es gibt noch viel mehr zu schaun.

Doch am schönsten sind die Frau’n.

Ulf Annel

 

 

Zum 85. Geburtstag des Autors:

Nora Gomringer: Gedichtanalyse 2.0
Nora Gomringer: Ich werde etwas mit der Sprache machen, Verlag Voland & Quist, 2011

Zum 90. Geburtstag des Autors:

Katharina Kohm: mein thema sei im wandel das was bleibt“
signaturen-magazin.de

Dirk Kruse: Eugen Gomringer wird 90
br.de, 20.1.2015

Rehau: Eugen Gomringer feiert 90. Geburtstag
tvo.de, 21.1.2015

Thomas Morawitzky: „Ich könnte jeden Tag ein Sonett schreiben“
Stuttgarter Nachrichten, 9.2.2015

Lisa Berins: Vom Vers zur Konstellation – und zurück
Thüringische Landeszeitung, 26.9.2015

Ingrid Isermann: „Eugen Gomringer: Der Wortzauberer“
Literatur & Kunst, Heft 76, 03/2015

Michael Lentz: Die Rede ist vom Schweigen
Neue Rundschau, Heft 2 / 2015

Klaus Peter Dencker: Laudatio für Eugen Gomringer zum 90. Geburtstag
manuskripte, Heft 208, Juni 2015

Zum 95. Geburtstag des Autors:

Ralf Sziegoleit: Lebende Legende
Kurier, 20.1.2020

Katrin Fehr, Suzanne Schattenhofer: Ein Leben voller Kunst und Kultur
Donaukurier, 19.1.2020

Eugen Gomringer feiert 95. Geburtstag
Stadt Rehau

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Eugen Gomringer: kein fehler im system.

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