Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Letzte Worte (Teil 1)

Letzte Worte

 

«Ultima verba! Möge dir niemals bei der Wiedererfahrnis dessen, was heute ist, dieses schwerwiegende Wort in den Sinn kommen: Wozu das alles?» (Paul Valéry)

Anton Tschechow, russischer Schriftsteller und promovierter Mediziner, starb 44-jährig auf Kur in Badenweiler. Schon lange hatte er, tuberkulosekrank, unter Asthma, zuletzt unter schweren Herzbeschwerden gelitten; dass es keine Heilung mehr geben konnte, war ihm als Patient wie als Arzt bewusst.
Tschechows letzte Ausssage, überliefert von seiner Frau, soll schlicht gelautet haben: «Ich sterbe …», gesprochen auf Deutsch, in einer Sprache mithin, die Tschechow bekanntermassen nicht beherrschte. Als Grund für den Sprachwechsel wird die Anwesenheit seines deutschen Doktors angegeben. Demnach hätte sich Tschechow mit seinem letzten Wort nicht an seine bei ihm sitzende Frau gewandt, sondern – in einer schwierigen Fremdsprache – an eine fremde Drittperson.
Ich kann das nicht wirklich für plausibel halten, überlege vielmehr, ob «ich sterbe» womöglich in russischer Sprache – praktisch gleichlautend – verstanden werden sollte im originalen Wortlaut: «ich sterwa …» Was soviel heisst wie «deren Schlampe», womit ganz einfach das menschliche Leben gemeint wäre. Die harsche Ausdrucksweise korrespondiert mit Tschechows früheren Invektiven über sein eigenes «Krepieren» und «Verrecken».

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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