Hanns Cibulka: Zwei Silben

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Hanns Cibulka: Zwei Silben

Cibulka-Zwei Silben

DIEGO RIVERA

Blühende Birken,
ein Maimotiv
für Akademiker.

Mein Pinsel
ist zu hart
für diese Lügen,
Feuer und Asche
sind seine Farben,
der Schrei der Geächteten
hat mir die Fläche
gesprengt.

Meine Bilder
sind Bajonette geworden,
zu scharf, um unter ihnen
noch zu schlafen.

 

 

 

Die fortwährenden Gleichschaltungsversuche

in den fünfziger Jahren

Hanns Cibulka (*1920) trat zum erstenmal 1951 in der Anthologie Neue deutsche Lyrik1 in die Öffentlichkeit. Zunächst noch ganz an klassischen Vorbildern orientiert, arbeitete er Kindheitserlebnisse aus seinem Herkunftsland Böhmen und Kriegserlebnisse aus Sizilien in zurückhaltender, leiser, monologischer, aber bildreicher Sprache auf, die oft in freier Rhythmik und Strophik dahinfloß. Unterschwellig klang christliche Motivik an. Die zuweilen malerische Breite wurde manchmal durch Distichen diszipliniert. Elegisches zog durch die Texte. Da schrieb ein Melancholiker, und er überzeugte, wenn er Bukolisches oder Sentimentales mied, etwa in „An die deutsche Sprache“: 

Sprache des göttlichen Zorns,
deine Adern sind entblößt,
allen Winden offen
und allen Regungen, die da schweifen,
allem Sommer und Herbst
bis tief in den dämmernden Winter… 

Deine Wasser aber dienen noch immer
zur Reinigung unserer schuldigen Hände,
dein geernteter Weizen
ist immer noch reiner als Schnee
.
2

Das war vor 1952. Da bekannte sich einer zu seiner Schuld, aber auch idealistisches Hoffen war in ihm. Das half ihm, seine subjektive Empfindsamkeit zu bewahren. In der Forum-Lyrikdebatte von 1966 bekannte er sich – entgegen der damals täglich per Presse getrommelten Maxime Vom Ich zum Wir – zu subjektiver Befangenheit: 

Ich schreibe, um dieses Leben besser zu verstehen, um die Welt, die mich Tag und Nacht umgibt, wieder in Besitz zu nehmen. Ich möchte… da und dort ein Fenster öffnen, das Schwebende inmitten der Realität aufzeigen… Aber auch das: die ästhetische Freude hat ihre Hand im Spiel.3

Was für Zeiten, da ein Extramut dazu gehörte, solche lapidaren Erkenntnisse auszusprechen und sich damit gegen die Bevormundung durch eine großangelegte Gesellschaftsvision zu behaupten, die zwar die Menschen einschloß, den konkreten Menschen aber nicht meinte.
Schreiben bedeutete Cibulka immer mehr: mit Wachsein… der Welt begegnen. In seine mit lyrischen Reflexionen durchmischte Tagebücher brachte er zunehmend sich behauptende, polemische Töne ein, so in seine Lageberichte von 1982 

Noch leben wir
verwischen die Grenzen,
geben Beifall der Zeit,
die hinter unseren Rücken
laufend tötet…

Hinter Masken
reden wir mit Masken
.
4 

Da war von einer sozialistischen Wir-Fiktion schon nichts mehr übrig. Und das alles bei täglich möglichem Geozid. Dennoch wird er sich fürs Bleiben entschließen, und das bedeutete nicht nur sein Bleiben in der DDR, sondern auch sein Bleiben im Leben: 

Vaterland,
wer kann heute noch sagen:
Ich,
Pilatus,
wasche meine Hände in Unschuld.
Zahllos sind die Äpfel
der Versuchung…

Die anderen
reden vom Fortgehn,
ich bleibe,
ich weiß,
der Docht ist verrußt
5

Der Glaube und der daraus resultierende Appell an den besseren Menschen wurden ihm zunehmend wichtiger: 

Die schwierigste aller Revolutionen steht uns immer noch bevor: die Revolution gegenüber uns selbst, gegen unsere eigene Trägheit, den Egoismus, den Machtinstinkt, eine Revolution, die uns lehrt, anders über den Menschen zu denken als bisher.6

So arbeitete er auf eine Humanismusposition hin, die sich an den Menschen als vervollkommnungsfähiges Wesen wandte. Und abseits und bescheiden als Bibliothekar in Gotha lebend, reihte er Buch an Buch und gehörte dabei zu den Stillen im Lande, die schwer an den Gegebenheiten trugen: 

Ein Beben geht durch den Vers… mit dir
will ich die Wahrheit befreien…

(…)

Edwin Kratschmer: Dichter · Diener · Dissidenten. Sündenfall der DDR-Lyrik, Universitätsverlag – Druckhaus Mayer GmbH Jena, 1995

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + KLG + Kalliope
Porträtgalerie: Brigitte Friedrich Autorenfotos + deutsche FOTOTHEK
Nachruf auf Hanns Cibulka: Mitteldeutsche Zeitung

Zum 10. Todestag des Autors:

Heinz Puknus: Vor Zehn Jahren starb Hanns Cibulka – Gedenkstunde in Gotha
Thüringer Allgemeine, 20.6.2014

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Hans-Dieter Schütt: Wie das Dunkel leuchtet
nd, 19.9.2020

Hans-Dieter Schütt: Der Langsamgeher
Thüringische Landeszeitung, 17.9.2020

Heinz Puknus: Hanns Cibulka zum 100. Geburtstag
Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen, Heft 71, 2020

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