Harald Gröhler: Mitlesebuch 122

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Harald Gröhler: Mitlesebuch 122

Gröhler/Angermann-Mitlesebuch 122

LANDSCHAFTSBESCHREIBUNG MIT FRANSEN

Jutulhugget.
An
einem ungeraden Tag –
warum, weiß ich auch nicht,
denn wir waren verwirrt –
rennen wir die Schlucht hinein.
Da standen Gneis
und Granit,
und Farn wuchs reglos.
Die Wege gingen weg,
nur in zwei Richtungen. Bedenke:
wie eng ist eine Schlucht.
An einem Quelltopf,
einem weißen – Grauweißgestein –:
da war
nichts.
Wir erkennen ein Loch
mit durchsichtig schwarzem Wasser, unten klar.
Das war alles. Mehr kann ich dir
nicht erzählen.

 

 

 

Ein persönliches Statement zu seinen Gedichten:

„Ich habe das Gedicht – die Gattung Gedicht – als etwas kennen gelernt, das allen Systemen, die es einfangen möchten, Widerstand leistet. Das ist auch für mich bei meinen eigenen Gedichten so. Allen Systemen Widerstand zu bieten“: … und manchmal kann das geradezu die Funktion der Gedichte sein. Allen Systemen Widerstand zu bieten, das impliziert: Gedichte-Schreiben ist für mich Herstellung von Freiheit. Das Gedicht (und das heißt auch das Lesen / Hören eines Gedichts) bietet eine Rolle der Freiheit an. Daraus wiederum ergibt sich für mich (oft, nicht immer): Ein Effekt, eine Wirkung des Gedichteschreibens und des Gedichts ist, einen Kontakt herzustellen, der nicht historisch ist und der nicht gesellschaftlich ist. (Die Kommunisten stehen hier kopf) Die Bauart meiner Gedichte leitet sich aus dem Wissen ab, dass eine wie auch immer geartete „einfache Wahrheit“ heute nicht zu haben ist. Die Gedichttexte „mäandrieren“ oft. Sie steuern dann inhaltlich nicht schnurstracks auf ein Ziel oder auf ein Ende zu, sondern sie nehmen vieles mit auf. Solche Gedichte sind nicht mehr monothematisch, sondern polythematisch, sie sind „überdeterminiert“. Themen, die vom Autor aufgegriffen werden, können alsbald wieder verschwinden. Aussagen können sich überlagern. Absichtlich schließe ich im Gedicht manchmal kurz. Dies, wenn ich Inhalte aufeinander beziehe, die normalerweise nicht (oder nur mit mancherlei Zwischenschritten) als zusammengehörig erlebt werden –. Und manchmal kann ich erst so das Allzu-Selbstverständliche aus seiner Region des Schweigens, des Unsichtbar-Gewordenen und der Nichtbeachtung hervorholen. Ich sehe solche Vorgehensweisen immer auch als eine Chance an, die sich speziell dem Poeten bietet – und die er nutzen sollte –; dem Poeten deutlich im Unterschied zum Wissenschaftler. Oder im Unterschied zum Journalisten. Worüber will ich schreiben? Über die Unwägbarkeiten zwischen Tat und Gedanken; zwischen dem Gedanken und aller Materialität. Über die Unvereinbarkeiten zwischen Wachzuständen und dem Traum; und weiter: über den Zwischenraum zwischen der Kindheit und der Jetztzeit. Über das Niemandsland zwischen Gesundheit und Tod. Manchmal auch noch über die Imponderabilien zwischen kollektiv gewordener Mythe und einer jeweils individuellen Realität.

Harald Gröhler, bovenden.de

 

Fakten und Vermutungen zum Autor

 

Harald Gröhler liest aus seinem Buch Dichter! Dichter! So begegneten sie mir.

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