Axel Marquardts Gedicht „Was ich gern möchte“

AXEL MARQUARDT

Was ich gern möchte

Ich bin ein Elefant, Madame,
und möchte gern ein Schwein sein,
ich bin ja so galant, Madame,
und möchte gern gemein sein.

Ich bin intelligent, Madame,
und möchte gern Idiot sein,
ich bin ja so lebend, Madame,
und möchte gerne tot sein.

1980er Jahre

aus: Axel Marquardt: Was bisher geschah. Alle Lach-, Mach- und Meisterwerke. Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 2008

 

Konnotation

In der Boulevard-Kultur der Weimarer Republik erreichte der Schlager „Ich küsse ihre Hand Madame“ nach 1929 Kultstatus. Eine sozialrevolutionäre Umdeutung des alten Liebeslieds vollzog Peter Zadeks Film Ich bin ein Elefant, Madame, der 1969 den Aufbruch der antiautoritären Studentenbewegung an ein Bremer Gymnasium verlegte. Der Satiriker und Nonsens-Dichter Axel Marquardt (geb. 1943) hat aus dem Liebeslied und seiner sarkastischen Fortschreibung eine herrlich misanthropische Melange geschaffen.
Auf jede sentimentalisierende Zeile des ursprünglichen Liebeslieds folgt eine groteske oder boshafte Kontrafaktur. Den Ehrentitel der „Intelligenz“ versagt sich das lyrische Ich und bevorzugt stattdessen das „Idiotentum“. In diesem Fall ist wohl die alte griechische Bedeutung der Vokabel „Idiot“ anzuwenden, die auf die private „Eigentümlichkeit“ und „Eigenart“ eines Menschen abzielt, der Privates nicht von Öffentlichen trennen will. Grundsätzlich gilt – der Vorrang der humoristischen Pointe gegenüber jeder harmonisierenden Sinngebung.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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