Clemens Brentanos Gedicht „Wiegenlied“

CLEMENS BRENTANO

Wiegenlied

Singet leise, leise, leise,
Singt ein flüsternd Wiegenlied,
Von dem Monde lernt die Weise,
Der so still am Himmel zieht.

Singt ein Lied so süß gelinde,
Wie die Quellen auf den Kieseln
Wie die Bienen um die Linde
Summen, murmeln, flüstern, rieseln.

nach 1810

 

Konnotation

Das klangliche Vorbild für sein „Wiegenlied“ findet der Romantiker Clemens Brentano (1778–1842) in den Tönen und Geräuschen der Natur. Aus der Nachahmung dieser Naturgeräusche soll unmittelbar die poetische Magie entspringen. Tatsächlich darf Brentanos „Wiegenlied“ als Modell für romantische Sprachmusik gelten.
Das „Wiegenlied“, das Brentano zu Lebzeiten nie veröffentlichte, folgt ganz den Suggestionen seiner leisen Sprachmelodie. Die Dominanz weicher Laute bewirkt klangliche Aufhellungen der dunklen Töne. Im Schlussvers gehen die dunklen „u“-Vokale ins besänftigende „ü“ und „ie“ über – ein beruhigender Sprachfluss. In dieser Version wurde das Gedicht erstmals 1852 in den Gesammelten Schriften Brentanos gedruckt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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